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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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weiterzugeben.«
    Herrgott noch mal, dachte sie. Was ist das denn hier? Ein Atomkraftwerk oder eine ordinäre Keksfabrik? »Wenn ich vorbeikommen würde … heute nacht, meine ich … könnte ich dann kurz mit ihm sprechen?«
    »Warum nicht? Vielleicht, wenn er Pause hat?«
    »Ginge es auch gegen Mitternacht?«
    »Ich denke schon.«
    »Sind Sie immer noch an der Bryant Street?«
    »Mhmm. Es ist ein großer brauner Ziegelbau Ecke Fifteenth.«
    »Vielen Dank.«
    »Soll ich ihm vielleicht etwas bestellen?«
    »Nein … Trotzdem danke schön.«
     
    D’orothea kam um acht nach Hause. Nach zehn Stunden im Blitzlichtgewitter war sie völlig geschafft.
    »Wenn ich bis in alle Ewigkeit keinen Rice-a-Roni mehr sehe, dann isses mir immer noch zu früh!«
    Mona lachte und reichte ihr ein Glas Dubonnet. »Rat mal, was es zu essen gibt?«
    »Ich bring dich um!«
    »Immer mit der Ruhe … Es gibt Schweinekoteletts mit Okra!«
    »Das ist nicht wahr!«
    Mona nickte lächelnd. »Das hat deine Mutter doch wahrscheinlich auch immer gekocht.«
    »Das ist eine Beleidigung für jede Mutter, wenn man so was über sie sagt!«
    »Na gut … dann eben deine Vorfahrinnen.«
    »Hast du mal wieder Roots gelesen?«
    »Ich steh auf schwarze Küche, D’or!«
    D’or schaute sie finster an. »Würdest du auf mich auch noch stehen, wenn ich nicht schwarz wäre?«
    »D’or! Was redest du denn da!«
    D’or sah Mona einige Zeit an. Dann beendete sie die Diskussion mit einem Lächeln und sagte augenzwinkernd: »Ich bin so was von alle. Schmeiß endlich die Koteletts auf den Tisch, Alte.«
     
    Nach dem Essen legten sie sich vor den Kamin und schauten Farbdias von D’orothea in Adorable-Strumpfhosen an.
    Das war wohl der Augenblick, um es ihr zu sagen.
    »D’or … Michael hat mich gefragt, ob ich heute mit ihm in die Spätvorstellung im Lumière gehe.«
    »Das ist doch schön.«
    »Es macht dir nichts aus, wenn ich …?«
    »Du brauchst doch mich nicht um Erlaubnis zu fragen, wenn du ins Kino gehen willst.«
    »Na ja, normalerweise hätt ich dich gern dabei …«
    D’orothea tätschelte ihre Hand. »In zehn Minuten bin ich sowieso in der Falle, Schatz. Geh du mal und amüsier dich, okay?«
     
    Kurz nach Mitternacht raste Monas Herz dermaßen, daß die Twinkie-Fabrik genausogut das Haus Usher hätte sein können.
    Der Warteraum erinnerte sie an die Lobby eines alten Hotels im Tenderloin District.
    Sie drückte auf eine Klingel am Empfangstresen. Ein paar Minuten später fragte sie ein Mann, der augenscheinlich Bäcker war, ob er ihr behilflich sein könnte.
    »Kennen Sie Leroy Wilson?« wollte Mona wissen.
    »Klar … Wollen Sie mit ihm reden?«
    »Das wäre nett.«
    Der Mann verschwand wieder nach hinten, und es dauerte noch einmal zehn Minuten, bis Leroy Wilson einer völlig verblüfften Mona Ramsey gegenübertrat.
    Der Bäcker war mit einer feinen Schicht Puderzucker überzogen.
    Und seine Haut war genauso weiß wie der Zucker.
Anna zeigt Nerven
    Das Pärchen stapfte auf einem schmalen, unbefestigten Weg, den andere Ausflügler bereits matschig getrampelt hatten, mühsam den dunklen Hang hoch.
    »Wie spät ist es?« fragte er.
    Sie schaute auf ihre Uhr. Eine Timex für Männer. »Kurz vor Mitternacht.«
    Es war nicht der Nebel, der dem Mann kalte Schauer über den Rücken jagte, als sie sich durch den Eukalyptuswald arbeiteten. Seine Begleiterin machte einen ganz gelassenen Eindruck.
    »Für eine Frau bist du ganz schön draufgängerisch, Anna.«
    »Was ist los? Kannst du nicht mehr? Hast du vergessen, daß diese kleine Spritztour deine Idee war?«
    »Ich weiß gar nicht, was da in mich gefahren ist.«
    Sie stand schweigend da. Er blickte zu ihr hinunter und streifte ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Doch, ich weiß es, Anna. Ich weiß es.«
     
    Auf dem Gipfel des Mount Davidson verschnauften sie unter dem riesigen Betonkreuz.
    Edgar zeigte mit ausgestrecktem Arm über die Stadt, die sich zu ihren Füßen ausbreitete.
    »Mein ganzes Leben lang … mein ganzes beschissenes Leben lang existiert das hier schon, und ich war noch nie hier oben.«
    »Tu doch so, als hättest du dir’s aufgespart.«
    Er griff nach ihrer Hand und zog sie näher an sich ran. »Und es hat sich gelohnt, das kann ich dir sagen.«
    Schweigen.
    »Anna?«
    »Edgar, wir sind doch wohl nicht zum Turteln hier heraufgeklettert, oder?«
    Edgar setzte sich auf den Sockel des Kreuzes. »Ich … nein.«
    Sie setzte sich neben ihn. »Was ist denn?«
    »Ich weiß nicht recht.

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