Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
Ich bin heute angerufen worden.«
»Von wem?«
»Von einem Mann, der sich mit mir über Madrigale unterhalten möchte.«
»Was?«
»Ja, das hat er gesagt. Und das war eigentlich auch schon alles. ›Ich bin ein Freund, und ich möchte mich mit Ihnen über Madrigale unterhalten.‹ Er war aufreizend wortkarg bei der ganzen Sache.«
»Glaubst du, daß er …«
»Was sonst? Wahrscheinlich will er Geld.«
»Erpressung?«
Edgar gluckste. »Komisch, nicht? Vor einem halben Jahr hätte mich so etwas noch völlig arg aus der Fassung gebracht.«
»Aber woher sollte er davon wissen?«
»Wer weiß? Und wen kümmert das schon?«
»Dich doch anscheinend. Du hast mich gerade den Kalvarienberg hochgetrieben, um es mir zu erzählen.«
»Nein, das war nicht der Grund.«
»Wirst du dich mit ihm treffen?«
»Ja, aber nur kurz. Sobald ich mir sein Gesicht eingeprägt habe, kriegt er einen Tritt in den Arsch und fliegt die Treppe runter.«
»Hältst du das für klug?«
»Was soll er schon tun? Ich sterbe sowieso bald. Meine Güte, ich hätte nie gedacht, daß das eines Tages nützlich werden könnte!«
Anna hob einen Zweig auf und ritzte einen Kreis in die feuchte Erde. »Wir dürfen nicht nur an uns denken, Edgar.«
»Du meinst Frannie?«
Anna nickte.
»Frannie läßt er sicher aus dem Spiel. Wenn er erst mal mitbekommen hat, wie wenig ich mir aus der Sache mache.«
»Man kann nie wissen.«
»Das stimmt … Aber es bringt mich auch nicht um den Schlaf.«
»Bist du denn sicher, daß es … um eine Erpressung geht?«
»Absolut.«
Anna stand auf. Sie ging auf die Lichter der Stadt zu. »Hat er seinen Namen gesagt?«
»Er sagte nur Williams. Mr. Williams.«
»Wann sollst du dich mit ihm treffen?«
»Am Nachmittag vor Heiligabend.« Grinsend fügte er hinzu: »Ganz schön bizarr, nicht?«
Anna erwiderte sein Lächeln nicht. »Ich möchte deiner Familie nicht weh tun, Edgar. Und dir auch nicht.«
»Mir? Anna, du hast mir noch keine Sekunde lang …«
»Trotzdem könnte es passieren, Edgar. Ich könnte dir großen Kummer machen.«
»Quatsch!«
»Deine Familie braucht dich jetzt, Edgar. Es ist nicht gerecht und auch nicht fair, wenn ich …«
»Was ist denn bloß in dich gefahren? Eigentlich hätte ich allen Grund, nervös zu sein! Ich habe dich hier raufgebracht, weil ich dich bitten wollte, mit mir wegzugehen!«
Anna wirbelte herum und sah ihn an. »Was?«
»Ich möchte, daß du mit mir weggehst.«
»Aber, wir … Wohin?«
»Wohin du willst. Wir könnten eine Kreuzfahrt nach Mexiko machen. Es wäre kein Problem, sie als Geschäftsreise zu tarnen. Ich bitte dich, Anna! Man kann mir bereits ansehen, wieviel Zeit mir noch bleibt!«
Sie hatte Tränen in den Augen. »Ich kann dir nur ansehen … daß du ein wunderbarer Mann bist.«
»Heißt das ja?«
»Du kannst Frannie das nicht antun.«
»Würdest du das meine Sorge sein lassen!«
»Ich möchte nicht …« Es schnürte ihr die Stimme ab. »Ich möchte nicht, daß du in diese Geschichte hineingezogen wirst, Edgar.«
»Mensch, ich stecke doch schon mitten drin!«
»Es ist noch nicht zu spät. Du kannst Mr. Williams sagen … du kannst ihm sagen … Ach, ich weiß nicht … Streite es einfach ab. Er kann unmöglich Beweise haben. Und wenn wir uns nie wiedersehen …«
Er packte sie an den Schultern und schaute ihr in die Augen. »Das geht jetzt aber zu weit, Gnädigste.«
»Wem sagst du das!« Sie fing an zu schluchzen.
»Anna, bitte nicht …«
»Ich hab dich belogen, Edgar. Ich liebe dich mit jeder Faser meines Herzens, aber ich hab dich belogen!«
»Was redest du denn da?«
Anna hatte sich wieder etwas gefangen und wandte sich von ihm ab. »Es ist schlimmer, als du glaubst«, sagte sie.
Die Frau des Bäckers
Mona war einen Augenblick sprachlos, als sie um Mitternacht diesem Fremden in der Twinkie-Fabrik gegenüberstand.
Diesem weißen Fremden.
»Ja, Ma’am?« sagte er freundlich. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich … Entschuldigen Sie bitte, aber … ich glaube, ich muß doch den anderen Mr. Wilson sprechen.«
»Don? Den Packer? Ich kann ihn holen, wenn Sie solange …«
»Nein. Warten Sie bitte … Haben Sie eine Tochter, die Dorothy heißt?«
Leroy Wilsons Gesicht wurde noch weißer, als es ohnehin schon war. »O mein Gott!«
»Mr. Wilson, ich …«
»Sind Sie vom Roten Kreuz oder so? Ist ihr was passiert?«
»Aber nein! Es geht ihr gut. Glauben Sie mir! Ich habe sie heute abend erst gesehen.«
»Sie ist in San
Weitere Kostenlose Bücher