Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
Schlaf.
»Hallo.«
»Schläfst du noch, mein Engel?«
»Nicht ganz.«
»Du klingst deprimiert.«
»Wirklich?«
»Sieh mal … Wenn es wegen dieser bewußten Sache da ist … Ein einfacher kleiner Eingriff, und schon bist du wieder …«
»Binky, ich …«
»Das ist heute nicht mehr so wie früher, wo man es noch mit rostigen Kleiderbügeln gemacht hat.«
»Es reicht, Binky!«
Schweigen.
»Binky … es tut mir leid. Okay?«
»Aber ja.«
»Ich … habe schlecht geschlafen.«
»Klar doch. Paß auf … Ich hab was Tolles auf Lager. Willst du’s hören?«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Jimmy Carter ist ein Kennedy!«
»Äh … kannst du das noch mal sagen?«
»Ist das nicht das Schärfste, was dir seit Monaten zu Ohren gekommen ist?«
»Wohl eher das Unappetitlichste.«
»Aber, aber … Ich erzähle dir doch nur, was gestern abend bei den Stonecyphers das Thema war. Anscheinend hat man Schweigegeld gezahlt, damit auch sichergestellt war, daß …«
»Was soll das denn wieder heißen?«
»Miss Lillian war mal Joe Kennedys Sekretärin.«
»Wann?«
»Ach, sei keine Spielverderberin, mein Engel. Ich finde die Geschichte einfach himmlisch.«
»Himmlisch, ja.«
»Na, sie erklärt immerhin das Gebiß, oder nicht?«
Als DeDe endlich vom Telefon loskam, ging sie schaudernd ins Bad.
Nach einem halbstündigen Gespräch mit Binky fühlte man sich, als hätte man einen ganzen Auswahlband mit Walt Whitman in einem Rutsch in sich hineingefressen.
DeDe ging gar nicht erst in die Küche, sondern schlüpfte hastig in einen Kaschmirrollkragenpullover und Levi’s und warf sich nachträglich noch ihre Anne-Klein-Wildlederjacke über die Schultern.
Sie wollte Spazierengehen. Und nachdenken.
Wie gewohnt ging sie zu den Filbert Steps, deren Pfefferkuchenhäuser und steil auf und ab führende Sackgassen eine Kulisse für ihren Kummer abgaben, wie Walt Disney sie nicht besser hätte liefern können.
An der Napier Lane setzte sie sich auf den Plankenweg und beobachtete die Katzen aus dem Viertel, die in der Sonne herumspazierten.
Es war einmal eine Katze, die in der Sonne einschlief und träumte, sie wäre eine Frau, die in der Sonne schlief. Als sie aufwachte, konnte sie sich nicht mehr erinnern, ob sie eine Katze war oder eine Frau.
Wo hatte sie das bloß gehört?
Egal. Sie fühlte sich weder wie eine Katze noch wie eine Frau.
Ihr ganzes Leben lang hatte sie getan, was man ihr aufgetragen hatte. Aus der wohlwollenden Alleinherrschaft von Edgar Halcyon hatte sie sich ohne die geringste Verzögerung in die prinzipienlose Tyrannei von Beauchamp Day begeben.
Ihr Ehemann bestimmte mit der gleichen Entschiedenheit über sie, wie ihr Vater es getan hatte. Er manipulierte sie mit Schuldgefühlen, Liebesversprechen und ihrer Angst vor Zurückweisung. Noch nie hatte sie etwas für sich selbst getan.
»Dr. Fielding?«
»Ja?«
»Entschuldigen Sie, daß ich Sie zu Hause störe.«
»Das macht doch nichts. Äh … mit wem spreche ich, bitte?«
»Mit DeDe Day.«
»Oh. Wie geht es Ihnen?«
»Ich … ich habe mich entschieden.«
»Schön.«
»Ich will das Kind bekommen, Dr. Fielding.«
Der Doktor steht hoch im Kurs
Beauchamp beschloß, sein Mittagessen bei Wilkes Bashford zu heben.
In einem Ambiente aus Korbmöbeln, Acrylglas und gekalkten Wänden schüttete er drei Negronis in sich hinein und probierte gleichzeitig ein Paar Walter-Newberger-Schuhe für zweihundertfünfundzwanzig Dollar an.
Walter Newberger bediente ihn höchstpersönlich.
»Und, was haben Sie für ein Gefühl?« wollte der Designer wissen.
»Einfach himmlisch«, antwortete Beauchamp. » Exakt die richtige Menge Campari.«
»Ich meinte die Schuhe, Beauchamp. Sie können doch wohl aufstehen, oder?«
Beauchamp grinste spitzbübisch. »Nur, wenn es unbedingt sein muß … Wo haben Sie Ihr Telefon stehen?«
»Ein Apparat steht im Spiegelkabinett.«
Beauchamp wankte ins Spiegelkabinett und wählte die Nummer von Jons Praxis in der Sutter Street 450.
»Hallo, Blondie.«
»Guten Tag.«
»Ich bin gerade bei dir um die Ecke, du geiles Luder. Warum nehmen wir uns nicht ein Zimmer im Mark Twain und schieben einen Quickie?«
»Ich bin im Moment leider beschäftigt. Aber wenn Sie etwas später noch einmal anrufen könnten, wird Ihnen meine Sprechstundenhilfe sicher …«
»Ach, ich verstehe!«
»Sehr schön.«
»Hast du eine Patientin da?«
»Das trifft zu.«
»Ist sie hübsch?«
»Es tut mir leid … ich kann darüber keine
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