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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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bei Gott … Ich wollte dich nie anlügen. Ich wollte arbeiten … Ich wollte bloß arbeiten. Als ich vor fünf Jahren nach New York kam, wollte mich niemand buchen. Rein gar niemand! Dann hatte ich ein paar Aufträge, wo wir dunkel geschminkt wurden … so was mit arabischen Haremsdamen … und wie aus heiterem Himmel haben die Leute plötzlich nach dem dunkelhäutigen Girl gefragt, das solchen Sex-Appeal hatte … Ich hab es nie drauf angelegt. Es hat sich einfach so …«
    »Aber D’or, ich verstehe nicht, warum …«
    »Ich bin eine Betrügerin, Mona!« Ihr Schluchzen wurde lauter. »Ich bin bloß … ein weißes Mädchen aus Oakland!«
    »Aber D’or … deine Haut …?«
    »Das machen die Tabletten. Die, die du in meiner Kommode gefunden hast. Sie sind gegen Vitiligo.«
    »Und was …?«
    »Das ist eine Krankheit, durch die man am ganzen Körper weiße Flecken bekommt. Wenn man diese Scheckhaut hat, nimmt man Tabletten, damit die Pigmente nachdunkeln. Wenn du weiß bist und zwei Monate lang die Tabletten nimmst, dann … Hast du nie Black Like Me gelesen?«
    »Doch, aber das ist schon lange her.«
    »Na ja, ich hab’s genauso gemacht, wie es in dem Buch steht. In New Orleans habe ich einen Hautarzt gefunden, der mir die Tabletten zusammen mit UV-Bestrahlungen verschrieben hat, dann hab ich mich für drei Monate rar gemacht und bin hinterher in New York als schwarzes Model wieder aufgetaucht. Ich habe Geld verdient, Mona … mehr Geld, als ich in meinem ganzen Leben zu Gesicht bekommen hatte. Natürlich habe ich den Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen, aber ich wollte nie …«
    »Aber nutzt sich das denn nicht ab?«
    »Natürlich. Es ist eine permanente Belastung. Nach ein paar Monaten mußte ich immer wieder mal verschwinden und neue UV-Bestrahlungen bekommen … und natürlich habe ich dauernd diese Tabletten geschluckt … bis ich die ganze Heuchelei nicht mehr länger ertragen konnte und mich entschieden habe …«
    »… nach San Francisco umzuziehen und weiß zu werden«
    D’or nickte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Natürlich hab ich gedacht, daß ich mich bei dir verkriechen könnte, bis ich mich wieder … zurückverwandelt habe … und ich hatte immer vor, meine Eltern wiederzusehen, aber nicht schon vor …«
    »Warum hast du mir nichts davon gesagt, D’or?«
    »Ich hab es doch versucht. Mein Gott, wie oft hab ich es versucht. Aber jedesmal, wenn ich kurz davor war, hast du mir im Handumdrehen was aus deinem Kochbuch für Schwarze aufgetischt oder angefangen, mir Vorträge über mein kostbares afrikanisches Erbe zu halten … und da bin ich mir dann immer so schrecklich verlogen vorgekommen. Ich wollte nicht, daß du dich … meinetwegen schämst.«
    Mona lächelte. »Sehe ich so aus, als würde ich mich schämen?«
    »Aber meine Haare sind echt, Mona. Ich habe eine Naturkrause«
    »Kannst du dir vorstellen, an was ich gedacht habe, D’or?«
    D’or schüttelte den Kopf.
    »Ich habe gedacht, daß du sterben mußt. Und ich bin halb verrückt geworden deswegen. Ich habe gedacht, du nimmst die Tabletten, weil du sterben mußt.«
    »Woran denn?«
    »Woran wohl? An Sichelzellenanämie.«
Die Konfrontation
    Norman lief jetzt beinahe und wankte auf die Zypressen am Rande der Anhöhe zu, ohne auf seine Umgebung zu achten.
    »Halt blos die Kllappe, hörs du? Halt blos die Kllappe!«
    »Ich werde nicht die Klappe halten, Norman! Ich werde nicht untätig zusehen, wie du dieses Kind auf so entsetzliche und wider wärtige Weise …«
    »Das geht dich überhaupt nix an!«
    »Ich habe die Magazine in deinem Koffer gesehen, Norman!«
    »Was hatts du in meim Koffer zu suchen?«
    »Du bist krank, Norman. Du bist …« Ihr Atem ging fast genauso schwer wie seiner. Sie zerrte ihn am Arm. »Bleib endlich stehen! «
    Er gehorchte und blieb an der höchsten Stelle der Anhöhe ruckartig stehen. Weil er ziemlich schwankte und sein Gleichgewicht wiedergewinnen wollte, streckte er die Arme nach seiner Begleiterin aus. Mary Ann hielt den Atem an; allerdings nicht wegen Norman, sondern wegen des gähnenden Abgrunds, den sie durch die Nebelschwaden sah.
    »Norman … komm zurück! «
    »Wa …?«
    »Wir sind auf einer Klippe! Komm zurück! Bitte!«
    Er sah sie verständnislos an und torkelte dann ein paar Schritte auf sie zu. Sie packte ihn am Arm und hakte ihren anderen Arm um einen Baum.
    Norman war ungehalten. »Aber ich hab doch kaum wass damit su tun.«
    »Norman, wenn du nicht …«
    »Diese dämlichen

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