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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Gut recherchiert und mit kühlem Verstand präsentiert.«
    »Das haben Sie sich angeschaut?«
    Brian nickte. »Auf drei Sendern sogar. Ihr Bericht war der einzige, der es auf den Punkt brachte. Setzen Sie sich. Machen Sie sich’s doch bequem.«
    Bambi zog sich einen Marcel-Breuer-Sessel heran und setzte sich. Ihre Handtasche behielt sie auf dem Schoß. »Dabei hätte man mir die Story fast nicht gegeben«, sagte sie.
    »Echt?«
    Die Nachrichtenfrau nickte. »Man glaubt kaum, wie groß die Vorurteile gegen Frauen sind, wenn sie an die richtig harten Katastrophen ran wollen. Aber ich laß einfach nicht locker.« Sie lächelte tapfer.
    »Recht so!« sagte Brian. »Wissen Sie was … ich mach mir eine Tasse Tee. Wollen Sie auch welchen?«
    Bambi schüttelte den Kopf. »Ich vertrag das Koffein nicht.«
    »Es ist Kräutertee«, sagte Brian. »Den mischt unsere Vermieterin selbst. Er beruhigt unheimlich. Sie sollten ihn mal probieren.«
    »Na ja … von mir aus.«
    Fünf Minuten später kam er wieder. Seine Hand zitterte leicht, als er ihr die Tasse reichte. Sie nippte zaghaft daran und ließ dann ihrem gekonntesten Sechs-Uhr-Lächeln freien Lauf. »Er schmeckt fa-bel-haft! Was ist da drin?«
    »Äh … Hibiskusblüten, Orangenschalen … all so Zeug.«
    »Hat sie auch einen Namen dafür?«
    »Oh, äh … Alaskan Twilight, glaub ich.«
    Bambi nahm einen zweiten Schluck. »Mmmm …«
    Brian machte mit seinem seichten Geschwätz noch ein paar Minuten weiter, bis die Nachrichtensprecherin zu nuscheln anfing. Einen schrecklichen Augenblick lang sah es so aus, als würde sie begreifen, was mit ihr geschah, denn sie starrte ihn verwirrt und zornig an. Dann fielen ihr die Augen zu, und sie sackte im Sessel nach vorn.
    »Heiliger Strohsack«, murmelte Brian. Er stand auf und untersuchte Bambi; sie war bewußtlos, atmete aber noch. Als er ihren Kopf nach hinten kippte, lief ein Speicheltropfen aus dem Mundwinkel der Nachrichtensprecherin.
    »Okay«, sagte er laut.
    Die Tür zum Flur ging auf. Zuerst tauchte Michaels Kopf auf, dann der von Mrs. Madrigal. Die Stirn der Vermieterin war von tiefen Sorgenfalten zerfurcht. »Bist du sicher, daß sie …?«
    »Es ist ihr nichts passiert«, versicherte Brian ihr. »Was ist in dem Zeug eigentlich drin?«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte Mrs. Madrigal. »Es ist was rein Pflanzliches.«
    »Und es hält eine Viertelstunde vor?«
    »Mehr oder weniger«, antwortete die Vermieterin. »Aber ich würd’s nicht drauf anlegen. Michael, mein Lieber, wenn du sie an den Beinen faßt, kann Brian sie an den Armen nehmen. Und ich sorg dafür, daß die Luft rein ist.«
    Michael kniete sich neben den schlaffen Körper und packte die Nachrichtensprecherin an den Fußgelenken. »Wir könnten sie spielend kaltmachen.«
    »Michael!« Mrs. Madrigal war nicht zu Scherzen aufgelegt.
    Brian und Michael hoben ihre Beute hoch, bis sie sie auf Hüfthöhe hatten, und wankten mit ihr auf den Flur hinaus.
    »Alaskan Twilight«, sagte Michael grinsend. »Das hält man ja im Kopf nicht aus!«

Freie Kost und Logis
    Die Nacht war bereits angebrochen, als Mrs. Madrigal auf dem Dach der Barbary Lane wieder zu ihren »Jungs« stieß.
    »Tja«, sagte sie, als sie sich zwischen die beiden zwängte und sie um die Hüften faßte, »sie ist so mies gelaunt wie immer, aber ihr Appetit hat sich -entschieden gebessert.«
    Brian schaute erleichtert drein. »Am Anfang hab ich ja gedacht, sie legt’s auf einen Hungerstreik an.«
    »Hat sie zu schreien aufgehört?« fragte Michael.
    Die Vermieterin nickte. »Ich glaub, ich hab sie überzeugt, daß der Keller schalldicht ist. Um die Nachbarn brauchen wir uns nicht zu sorgen. Selbst wenn sie laut wird, hört man sie nur bis in die Diele. Bei Besuchern sieht’s allerdings anders aus.«
    Michael schaute zu den Lichtern auf der Bay hinaus. »Es ist wie in Der Sammler« ,sagte er.
    »Sie hat allen Komfort«, betonte die Vermieterin. »Ein bequemes Bett, einen Heizstrahler, meine sämtlichen Agatha-Christie-Krimis. Ich hab ihr sogar Monas alten Fernseher hingestellt.« Sie wandte sich an Michael. »Was hast du mit ihrem Auto gemacht?«
    »Ich hab’s auf der Leavenworth abgestellt. Fünf oder sechs Blocks von hier.«
    Brian runzelte die Stirn. »Das verwischt unsere Spuren aber nicht unbedingt.«
    »Tja«, sagte Michael schulterzuckend, »wenn du hier in der Nähe ein Sumpfloch weißt …«
    »Das reicht schon mit der Leavenworth«, sagte Mrs. Madrigal. »Ich rechne nicht damit, daß

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