Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
seines Kiezes zu vereinbaren. Die Schwabingerin radelt dafür nach Haidhausen, der Moabiter nach Schöneberg, der Eppendorfer nach Altona. Und was macht der Mann vom Land? Bauer sucht Frau.
Ein Abend in einer Kleinstadt. Ein junger Mann zieht um die Häuser. Es ist mein jüngerer Bruder, ich bin für ein paar Tage auf die Schwäbische Alb gefahren. In der Pizzeria grüßt ihn der Besitzer mit Handschlag, am Nachbartisch sitzt seine Ex, die Kellnerin kennt ihn mit Namen. Danach gehen wir in ein Pub, da stehen Kumpels von ihm am Tresen, in der nächsten Kneipe kennt er gleich einen ganzen Schwung Mädels. Keine Frage, mein Bruder fühlt sich hier wohl. Am Ende des Abends sagt er: »Ich will hier nie wegziehen. Wenn ich abends weggehe, brauche ich mich nie zu verabreden, ich treffe immer jemanden, den ich kenne.« Ich aber, seine große Schwester, die schon lange in der Großstadt lebt, antworte dann: »Und genau aus diesem Grund bin ich weggezogen.« Wer in der Großstadt lebt, wer da gerne lebt, weiß den Vorteil der Anonymität zu schätzen. Wenn man abends nach Hause kommt, ist keiner da, der sich wundert: Wer kommt denn jetzt noch und warum so spät?
Während die Kleinstadt immerhin noch etwas Rückzugsmöglichkeiten bereithält, bieten Dörfer dies nicht, und vor allem kaum Auswahl an Liebe- und Sexpartnern. Die kluge, gebildete, flotte Frau, sie geht in die Stadt. Sie ist weg. Die weibliche Hauptrolle fehlt. Schlechte Karten für den Mann vom Land.
Wer da Haus und Hof mit einer Frau am Herd schmücken möchte, muss aktiv werden. In der Badischen Bauernzeitung suchen Leser in Kleinanzeigen nach dem passenden Pendant, allerdings klingen die Bekanntschaftszeilen oft eher nach Stellenanzeigen. Etwa wenn einer schreibt: »Hallo, Mädels! Wer von euch möchte die rechte Hand in meinem tollen Landwirtschafts- und Weinbaubetrieb werden?«, oder ein »Obsterzeuger, 39 Jahre, Nichtraucher« eine Frau sucht für gemeinsame Zukunft: »biete Einheirat«. Manchmal klingt es auch gleich ganz klassisch, wie früher auf den Hochzeitsmärkten, als nicht die Frauen, sondern deren Väter um Erlaubnis gefragt wurden: »An alle Landwirte! Macht eure Töchter und Schwestern mobil – denn: Ich, 48 J., NR / NT , mit modernem Milchviehbetrieb, möchte jetzt die richtige Frau fürs Leben kennenlernen.«
Ob die Frauen, die weggegangen sind, auf solche Anzeigen hin zurückkommen? Vermutlich nicht. Sie fühlen sich auch nicht mehr willkommen. In einer Reportageserie machte sich Spiegel TV auf die Pirsch auf dem Land. Abend in der Dorfdisco, die jungen Männer werden gefragt. Einer sagt, er suche keine Landwirtin. Jedenfalls keine, die den Beruf gelernt hat. So eine wolle Chefin sein, und so was gehe für ihn als Mann nicht. Auch das klassische Feindbild der faulen Städterin wird herzlich gepflegt. Einen geregelten Arbeitstag gebe es bei ihnen auf dem Land nicht, erklärt ein anderer Jüngling. Eine Frau aus der Stadt könne das nicht verstehen. Klar, die hängen ja auch alle nur in Cafés herum. Wie ein gewisser hinkefuss25 auf dem Blog »Dorfbilder« schreibt, gebe es auf dem Dorf immer was zu tun, »während in der stadt die leute samstags shoppen gehn und in den cafe’s sitzen, geht der dörfler seiner arbeit nach. die efh-gebietsbewohner mähen ihre 3.25m² rasen, andere beschneiden die bäume, hacken holz, graben um oder leihen sich nen bagger, um etwas im dreck zu wühlen. am besten mit einem sinnvollen ziel. PARKPLATZBAU .« Nein, das ist nicht ironisch gemeint. hinkefuss hat sich auch fotografiert, wie er stolz auf einem Bagger sitzt.
In der Fernsehreportage war aber auch die junge Hoferbin zu sehen, die sich aufbrezelt, um in die Landdisco zu fahren. Dafür ist sie nachts lange auf Landstraßen unterwegs. Auch in der Dorfdisco geht es, ganz wie in der Stadt, erst nach Mitternacht so richtig los. Forsch und frohgemut zieht sie los, das flotte Outfit noch von der Mutter gecheckt. Ein paar Stunden später kehrt sie ein bisschen traurig zurück. Das Forsche kam nicht so an.
Was Spiegel TV mit Reportagen untersuchte, bietet RTL im Trashformat: »Bauer sucht Frau«. Die Einschaltquoten waren hoch, doch manche ärgerten sich auch. So Elke Grasshof, Partnervermittlerin für Landwirte. Damit könnten sich, so schimpfte sie in der Nürnberger Zeitung, »die Städter als etwas Besseres fühlen, wenn sie die vermeintlich doofen Bauern sehen«. Für sie hingegen seien Landwirte »vielseitig begabte Männer, die mit beiden Beinen fest im
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