Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
Leckerbissen entdeckt haben. Hungrige Rotten können mehrspurige Straßen überqueren, Türklinken öffnen, Maschendraht zerbeißen. Derk Ehlert, Berlins Wildtierbeauftragter, erklärt betroffenen Gartenbesitzern daher auf Abendkursen, wie sie sichere Zäune bauen können, um Wildschweingelage im Tulpenbeet zu verhindern (Betonfundament, abschließbare Tore!). Auch ein Deckel auf dem Kompost tut meist Wunder und hält die Säue fern. Nur wenn es gar nicht anders geht, wenn die Tiere jegliche Distanz verlieren, müssen die Stadtjäger gerufen werden. Das heißt dann: Abschuss.
Bevor aber ein Irrtum entsteht, zitieren wir noch mal den Stadtökologen Josef Reichholf. Er sagt klipp und klar: Die meisten Tiere, ob Wildschweine, Käfer oder Gebirgsbachstelzen, haben sich nicht in der Stadt angesiedelt, weil sie dort durchgefüttert werden. Sie sind hier, weil sie auch ganz ohne menschliche Hilfe genügend Futter finden und in Ruhe leben können.
Als Beleg erzählt er gerne von den Schwimmvögeln, die in Münchens Stadtgewässern ihre Kreise ziehen. Manche davon sind ganz klar futterzahm wie etwa Höckerschwäne, Blesshühner und Stockenten. Diese Arten haben jede Scheu abgelegt und fressen ihren Fütterern fast aus der Hand. Sie sind total »verstädtert«. Die These, der Mensch habe die Tiere in die Stadt gelockt, liegt da zwar nahe, ist aber falsch. Noch viel mehr Spezies auf den städtischen Seen, Tümpeln und Teichen kümmern sich nämlich kein bisschen um die Zweibeiner und würden auch gewiss nie von deren ollen Brötchen naschen. Sie haben ein ganz anderes Nahrungsspektrum. Der Gänsesäger etwa, eine possierliche Entenart, taucht nach kleinen Fischen oder Wasserinsekten; kein Mensch hat ihm je Sardinen aus der Dose oder frische Fische gereicht. Gänsesäger sind nicht futterzahm, sie wurden nur über die Jahre mit den Zweibeinern vertraut. Sie betrachten sie vielleicht als nette Nachbarn. Und die Stadt ist einfach nur ihre Heimat.
Auch Menschen übrigens fällt es in der Stadt leichter, sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Werden sie doch einmal krank, ist die nächste Apotheke oder Praxis zum Glück nicht weit, zur Not kommt der Krankenwagen mit Tatütata. Anders auf dem Dorf: Dort drohen dem Menschen zwar keine Jäger, aber andere Gefahren. Gesundheit und Krankheit zwischen Stadt und Land, darum wird es im übernächsten Kapitel gehen.
Meine Stadt und ich
Manju S. Singh, 53, lebt seit 1993 mit drei Kindern in Frankfurt am Main. Sie hat sich 2004 nach dem Tod ihres Mannes entschieden, weiterhin in Frankfurt zu bleiben.
■ Warum leben Sie in der Stadt?
Ich bin schon in der Stadt aufgewachsen, mir gefällt das. Das Leben hier ist sehr vielfältig und voller Erlebnisse. Es geht alles schnell, man kommt schnell von einem Ort zum anderen und ist immer auf dem neuesten Stand. Man kann hier ein sehr flexibles Leben führen.
■ In welchen Momenten empfinden Sie es als Glück, in der Stadt zu leben?
Eigentlich immer, es gibt keinen wirklichen Moment, in dem ich glücklicher bin.
■ Haben Sie einen Lieblingsort in Ihrer Stadt?
Ich mag es, am Main gemütlich spazieren zu gehen oder zusammen mit meinen Kindern auf der Zeil einzukaufen. Auch der Palmengarten gefällt mir sehr gut, in dem man an Sommertagen einen Picknickausflug machen oder Ausstellungen besuchen kann. Auch der Zoo begeistert mich sehr.
■ Ist denn Ihre Stadt auch Ihre Lieblingsstadt?
Ja, ist sie! Frankfurt ist die Stadt, in die ich mich damals verliebt hatte, und ich genieße es hier sehr. Manchmal vermisse ich schon meine Heimatstadt Kanpur, in der ich groß geworden bin, oder auch Neu Delhi, wo ich eine Zeit lang gelebt habe, aber trotzdem würde ich sagen, dass Frankfurt die Stadt ist, wo ich leben möchte.
■ Wie (er)leben Sie Nachbarschaft?
Die Nachbarschaft ist sehr freundlich, und wir fühlen uns mit den Nachbarn sehr wohl! Man kann sich auf die Nachbarn sehr gut verlassen.
■ Was fehlt Ihnen in Ihrer Stadt?
Meine Verwandten aus Indien fehlen mir, besonders an Feiertagen und Familienfesten, die man gerne mit der ganzen Familie verbringen würde.
■ Wann hängt Ihnen die Stadt so richtig zum Halse raus?
Eigentlich nie.
■ Wie würde für Sie das ideale Leben in der Stadt aussehen?
Das ist eine schwierige Frage – ideales Leben? Eigentlich ist es schön, so wie es ist.
■ Was müsste die Gesellschaft oder die Politik tun, damit die ideale Stadt entstehen kann?
Für mich ist Frankfurt die ideale Stadt – man hat
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