Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
in den meisten Situationen zu lange dauert – dann sind Fuchs und Ratte längst verschwunden. Für Einsteiger bieten die meisten kleinen Kompaktkameras heutzutage eine Weitwinkeloption und tolle Nahaufnahmemöglichkeiten mit Weitwinkeleffekt. Das ist die ideale Ausrüstung für Schnappschüsse von Tieren in der Großstadt.
Rund 1600 Füchse leben schätzungsweise in Berlin. Drei davon teilen sich als Revier den Tiergarten. Und über den frechsten der drei musste das Kanzleramt vor einiger Zeit eine Akte anlegen. Die Überwachungskameras bekamen ihn ins Visier, weil er regelmäßig durch Zaunlatten in den Garten der Kanzlerin schlüpfte. Einmal wurde er beim Mittagsschläfchen im Wintergarten von Angela Merkel erwischt, ein anderes Mal lockerte er mit einer spontan dargebotenen Mäusehatz einen Staatsempfang auf. Eines allerdings wollte der Sicherheitsdienst dem kleinen Rotfuchs nicht durchgehen lassen: Wie der letzte Flegel verrichtete er regelmäßig sein Geschäft auf Merkels Gartenterrasse. Und die Flecken sind hartnäckig! Unverdaute Beeren, Würmer, Schnecken, nicht wegzukriegen vom hellen Waschbeton. Der Hausmeister tobte und konsultierte schließlich Derk Ehlert, Berlins Wildtierbeauftragten.
Der Mann kennt sich aus mit den Hauptstadtfüchsen und erstellte erst mal ein Bewegungsprotokoll des Eindringlings. Er fand heraus, dass dieser in einer Höhle unter dem Tipizelt schläft, sich tagsüber im Gestrüpp versteckt und in der Dämmerung ungeniert hinter Weibchen herschleicht. Das Häufchendilemma auf der Kanzlerinnenterrasse konnte er dennoch nicht lösen. Füchse zählen laut Jagdrecht zu den »herrenlosen Tierarten«, die in »befriedetem Gebiet« – also innerhalb der Stadtgrenzen – unbehelligt leben dürfen. Nur bei Gefahr für Menschen werden sie gefangen oder getötet. »Fuchslosung riecht etwas streng«, musste Ehlert dem regierenden Hausmeister beibringen. »Aber mehr Drama ist nicht.«
Tatsächlich wurde die Tollwut vor über zehn Jahren in den großen deutschen Städten gebannt. Am ebenso gefürchteten Fuchsbandwurm – einem Parasiten, der sich nur über die Eier im Kot oder Speichel auf den Menschen überträgt – sind seit 2001 lediglich 120 Menschen erkrankt; der Großteil der in Deutschland bekannt gewordenen Fälle stammt, wie könnte es anders sein, nicht aus der Stadt, sondern aus ländlichen Regionen vorwiegend der südlichen Bundesländer.
Risiken geht nur ein, wer wilde Füchse füttert wie Nachbars Katze – mit Essensresten, Hundefutter oder altem Brot. Das ist nicht nur überflüssig, sondern lässt die Tiere auch bald ihre natürliche Furcht vor Menschen verlieren. Hat sich in den Städten aber noch nicht genug herumgesprochen. Traditionelle Landbewohner hingegen wissen: Wilde Tiere, die den Menschen zu sehr auf die Pelle rücken, sorgen für Probleme.
Wildschweine sind, glaubt man den Medien, eine besonders aufdringliche Spezies. Ihre Zahl hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, die Klimaerwärmung trägt einen Teil dazu bei, aber eben auch ahnungslose Städter, die im Umgang mit Wildtieren nicht geübt sind. Ich stieß einmal beim Spaziergang im Grunewald auf eine Muttersau mit fünf quiekenden Frischlingen. Ihre Nasen steckten in zwei Tüten mit altem Brot, die jemand abgelegt haben musste, im Fell hingen überall Brösel. Ich weiß nicht, wer von uns mehr erschrak, doch während ich vor Schreck wie festgenagelt stehen blieb, trottete die Rotte zum Glück in die andere Richtung davon, die Tüte im Schlepptau, die quiekenden Frischlinge hinterher.
Normalerweise verstecken sich Wildschweine in städtischen Gefilden oder Waldgebieten meist so gut unter Buschwerk oder hinter Stämmen, dass kein Zweibeiner sie bemerkt oder, wenn überhaupt, an ihrem wenig dezenten Maggigeruch erschnüffelt. Erst nachts wagen sie sich aus Wald und Gebüsch heraus und ziehen los, um sich im Dreck zu suhlen – oder um auf Fresstour zu gehen. Dabei wühlen sie ihre sensiblen Nasen bis zu zwanzig Zentimeter tief in Wiesen, Waldböden oder Beete, um dort Eicheln, Mäuse, Würmer oder Insektenlarven aufzustöbern. Werfen Menschen ihnen jedoch Essensreste hin, gekochte Spaghetti, altes Brot, oder locken sie, ganz ohne bösen Willen, mit duftenden Komposthaufen oder Tulpenzwiebeln in ihre Gärten, kosten die Tiere mit Vergnügen das exotische Angebot – und kommen am nächsten Abend wieder; denn Wildschweine, vor allem Wildsäue, sind verdammt klug. Sie vergessen nie, wo sie einst feine
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