Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
Biolebensmitteln und Ökostrom oder die Nutzung eines sparsamen Autos komme der persönlichen Klimabilanz zwar zugute, »spart aber niemals nur ansatzweise so viel Treibhausgasemissionen ein wie die Entscheidung für einen zentralen Wohnort«.
Der Stadtforscher Edward Glaeser zieht aus dieser und ähnlichen Studien seinen Schluss: Die zunehmende Verstädterung und damit einhergehende Verdichtung der Citys »geben nicht Anlass zur Sorge, sondern, im Gegenteil, Anlass zur Hoffnung, Menschen aus ihrer Misere zu befreien, ohne den Planeten zu ruinieren«.
Zukunftsmodell 100 Prozent Klimaschutz
Die große Herausforderung liegt also darin, die Städte so zu entwickeln, dass sie den Stadtbewohnern zur guten Heimat werden und nachhaltig wachsen. Also eher in die Höhe gehen als in die Breite, eher in ihrem Inneren dichter werden, als am Rand auszuufern – und dabei so klimafreundlich werden wie möglich.
Betrachten wir zwei Städte, die nicht unbedingt unter dem Verdacht stehen, Klimaschutzpionierinnen zu sein: Frankfurt und Hannover. Von Frankfurt aus mischte 1968 die Studentenbewegung das Land auf, heute brummen Banken und Wirtschaft und mit ihnen der (Pendel-)Verkehr. Die Folge: Der CO ₂-Fußabdruck der Frankfurter liegt mit 12,8 Tonnen pro Jahr um eine gute Tonne über dem deutschen Durchschnitt. Die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover mit ihren 520000 Einwohnern liegt nur wenig darunter, was auch durch eine Pendlerzahl bedingt ist: Hinter Hannovers Stadtgrenzen hat sich ein dicht bebautes Suburbia ausgebreitet; etwa der Flughafenstandort Langenhagen oder auch Burgwedel, das dank des Klinkerhauses von Exbundespräsident Christian Wulff Berühmtheit erlangte.
Beide Städte tragen also ihren Teil zur Klimaerwärmung bei, kriegen sie aber auch selbst zu spüren. Wissenschaftler prophezeien dem heute schon überdurchschnittlich warmen Rhein-Main-Gebiet bis 2050 dreimal so viele »heiße« Tage über 25 beziehungsweise 30 Grad Celsius wie heute. Auch Hannover wird wärmer, die Sommer trockener, der Regen unberechenbar. Italienfeeling in Mitteldeutschland? Einerseits ja, andererseits steigt das ganze Jahr über das Unwetterrisiko. Hitzestaus, Hochwasser, Überflutungen – Großstädter leiden darunter, und Wirtschaftsmetropolen kommen derlei Kapriolen teuer zu stehen.
Klimaschutz Best Practice
München: Ökostrom aus der Natur
Bis 2015 will die bayerische Landeshauptstadt alle Wohnungen, bis 2025 die ganze Stadt ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgen. Liefern sollen bayerische Windparks, Wasserkraftwerke sowie Geothermiekraftwerke: Tief unter München fließt 90 Grad heißes Wasser, das rund 15000 Menschen versorgen könnte. Weil die heimischen Quellen nicht ausreichen, will München die restliche Energie aus Windparks in und an der Nordsee sowie aus spanischen Solaranlagen importieren.
Berlin: Schluss mit Kohle
Schon heute haben die Hauptstädter den geringsten CO 2 -Fußabdruck des Landes. Künftig soll er weiter fallen – durch den Ausstieg aus unökologischen Energiequellen. Von den einst 400000 Berliner Kohleöfen sind heute nur noch 60000 in Betrieb, Tendenz fallend. Immer mehr Wohnungen werden mit Fernwärme beheizt. Das Berliner Fernwärmenetz – mit 1600 Kilometern Länge eines der größten in Europa – wird weiter ausgebaut. Statt fossilem Erdgas aus der Ferne wollen die Berliner künftig vermehrt Biogas aus Brandenburg beziehen.
London: Citymaut
Pendlerverkehr verursacht Lärm, Stau und Luftverschmutzung in den Innenstädten. London hat daher 2003 beschlossen: Wer mit dem eigenen Auto in die City fährt, obwohl auch Busse und U-Bahnen fahren, muss blechen. Zehn Pfund pro Tag beträgt die Citymaut für Privatpersonen. Prompt sind seither über die Hälfte der Autofahrer auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen.
Kopenhagen: Radlerparadies
Die dänische Hauptstadt hat alles, wovon Fahrradfahrer träumen: auf allen Hauptstraßen Radwege, manche davon fünf Meter breit, eigene Brücken, privilegierte Abbiegespuren, Vorzugsbehandlung beim Winterdienst, fest installierte Pumpen. Sogar Fernradwege mit grüner Welle bis in die Vororte werden derzeit ausgebaut. In der Stadtverwaltung kümmern sich dreißig Mitarbeiter allein um das Wohl der Radfahrer. Mit Erfolg: Längst legen die Kopenhagener über ein Drittel aller Wege mit dem Rad zurück und bewerten die Lebensqualität ihrer Stadt mit einer der besten Noten weltweit.
Die gute Nachricht: Frankfurt und Hannover haben
Weitere Kostenlose Bücher