Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
Siedlungsformen mehr als sehen lassen, allen undichten Fenstern und schlecht regulierten Heizungen oder Klimaanlagen zum Trotz. Stellen wir uns nur einmal vor, alle 1,5 Millionen Einwohner von Manhattan hätten sich den »American Dream« realisiert und bewohnten statt eines Apartments ein Haus mit Garten, mit ebenso undichten Fenstern und unregulierten Heizungen oder Klimaanlagen – was würden sie Landschaftsfläche, Strom, Benzin und andere Ressourcen verschwenden!
So aber beträgt der CO ₂-Fußabdruck eines New Yorkers mit 7,1 Tonnen CO ₂ pro Jahr weniger als ein Drittel des Durchschnittsamerikaners (24,5 Tonnen CO ₂ pro Jahr). Und, Überraschung, er ist auch bedeutend niedriger als der eines Durchschnittsdeutschen.
Was für NYC gilt, gilt genauso für andere Metropolen. Die Einwohner von Barcelona, London, Kopenhagen und Berlin beispielsweise stoßen im Schnitt knapp die Hälfte der Treibhausgase ihrer Landsleute aus. Und auch in Hamburg, München, Köln, Leipzig und fast allen anderen deutschen Großstädten liegt der carbon footprint unter dem Landesdurchschnitt, zum Teil deutlich darunter – so hat es der »Green City Index« berechnet, den Experten im Auftrag der Siemens AG veröffentlicht haben. Nur Frankfurt, Hannover und Bremen fallen aus der Reihe, Schuld daran trägt die Industrie (Auto bzw. Stahl) sowie der Flughafen und energieintensive Rechenzentren, von denen gleichwohl die halbe Republik profitiert.
Hohes Haus, geringer Energieverbrauch
Bleiben wir in Frankfurt, mit 390000 Einwohnern Hessens größte Stadt. Jedes Mal, wenn ich meine Familie in Süddeutschland besuche, muss ich das kleine Bundesland zwischen Kasseler Bergen und Odenwald mit dem Zug durchqueren. Und irgendwann, nach vielen Hügeln, Apfelbaumplantagen, Fachwerkhausdörfern und Vorstadtsiedlungen, taucht die Skyline von Frankfurt vor dem Fenster auf. »Mainhattan« wird sie lästerlich genannt, wegen ihrer Hochhaustürme. Ich gucke trotzdem immer fasziniert aus dem Fenster, wenn der Zug an dem Glas-Beton-Panorama vorüberzieht. Wo in Deutschland sieht man sonst so eine Architektur?
Man kann sie nun schön finden oder nicht. Fakt ist: Einige dieser Frankfurter Hochhäuser zählen zu den energieeffizientesten Bürohäusern der Welt. Und rein ökologisch betrachtet, darf sich die Hochhauscity allein durch ihre Höhe, die kompakte Bauweise, effiziente Energieversorgung und die gute Erreichbarkeit einer weit besseren Ökobilanz rühmen als das übliche hessische Fachwerkhausdorf.
Damit kommen wir zu zwei Wahrheiten:
1. Es ist ein Irrtum anzunehmen, wer aufs Land zieht, tue der Natur damit etwas Gutes – und sei sein Lifestyle noch so ökologisch. Das Verhältnis Mensch – Natur ist keine gegenseitige Liebesbeziehung, denn die Natur braucht den Menschen nicht. Der Harvard-Professor und Stadtforscher Edward Glaeser ( Triumph of the City ) sagt dazu trocken: »Wer die Stadt verlässt, tut damit ausschließlich seiner vermeintlichen Naturliebe etwas Gutes. Der Natur wäre es am liebsten, alle Menschen würden in der Stadt leben und sie in Ruhe lassen.«
Ein paar Zahlen gefällig? Beginnen wir global. Von den sieben Milliarden Menschen dieser Welt leben inzwischen weit über die Hälfte in Städten, Tendenz steigend. Diese Metropolen bedecken nur zwei Prozent der Landfläche der Erde. Dennoch wird dort – mit Ausnahme der Grundnahrungsmittel – ein Großteil dessen entwickelt, produziert und erfunden, was diese sieben Milliarden Menschen für ihren Alltag brauchen (oder meinen zu brauchen): Kleidung, Schulbücher, Gesetze, Autos, Computer, Düngemittel, Nagellackentferner, Medikamente und so weiter. Die logische Folge: Der städtische Anteil an den weltweiten Gesamtemissionen von Treibhausgasen beträgt, je nach Quelle, zwischen 60 und 80 Prozent. Das klingt viel, doch vergessen wir nicht, das Land drum herum wird quasi zum Null-Emissionen-Tarif mitversorgt.
Großstädte sind aber nicht nur Problem, sondern gleichzeitig wesentlicher Teil der Lösung. Denn in ihnen schlummert ein gigantisches Potenzial für nachhaltigeren Konsum und die Einsparung energetischer Ressourcen.
Studien der internationalen Metropolen-Vereinigung C40 haben ergeben, dass die Bürgermeister der Großstädte qua ihres Amtes mehr als drei Viertel der Quellen urbaner Emissionen kontrollieren können – wenn sie denn wollen. Von der Müllentsorgung über die Energieversorgung bis zur Wahl der Straßenbeleuchtung. Klimatechnisch entscheidend sind die
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