Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
in die Benzinschleuder oder, besser gesagt, in die Benzinschleudern; denn mit einem Auto ist es meist nicht getan: Klassische Landhaushalte besitzen zwei oder mehr Fahrzeuge – wohingegen in Großstädten wie beispielsweise Berlin nur 41 Prozent der Haushalte überhaupt ein Auto besitzen. Der Umwelt-Verbraucherverband hat ermittelt, dass Landbewohner für ein Drittel der in Deutschland zurückgelegten Pkw-Kilometer verantwortlich sind, obwohl sie nur ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen.
Diese Rumfahrerei kostet nicht nur Nerven (s. Kapitel 7), sondern auch mehr und mehr Geld, denn der Benzinpreis steigt und steigt. Und wird weiter steigen. Und der persönliche CO ₂-Footprint gleich mit dazu.
In der Großstadt hingegen empfinden viele Familien es als ein Gefühl von Freiheit, nicht vom Auto abzuhängen – und trotzdem sehr mobil zu sein. Carsharing-Anbieter boomen, es gibt Busse und Bahnen – und natürlich das Fahrrad. Was für ein Luxus, jederzeit autonom per Fahrrad von A nach B zu kommen! Ein günstiger und ökologischer Luxus zumal. Denn Fahrräder sind im Vergleich zu Autos spottbillig, von der Herstellung über die Anschaffung und den Unterhalt (keine Steuer, keine Versicherung) bis zu den Reparaturen. Radler können lächelnd an jedem Stau vorbeiziehen, sind in der Rushhour meist schneller, erst recht mit den elektrobetriebenen Pedelecs. Parkplatzprobleme? Kennen sie nicht. Übergewicht, Herz-Kreislauf-Probleme? Das sanfte Training beugt vor. Und seit die Drahtesel von gestern sich zu schicken Statussymbolen gemausert haben, hat sich auch die Mär vom armen Fahrradschlucker erledigt. Ganz nebenbei macht es einfach Spaß, auf zwei Rädern durch die Gegend zu cruisen, eine leichte Brise im Gesicht, die Stadtkulisse rauscht an einem vorbei, und schon hat man sein Ziel erreicht: den Job, die Freundin, die Kita, das Museum. Landbewohner können von diesem Luxus nur träumen. Sie sind ihrem Wagen auf Gedeih und Verderb, für jede noch so kleine Fahrt oder Besorgung ausgeliefert. Der Kofferraum ist ihr Einkaufswagen.
Zugegeben: Es ist schwierig, einen statistisch seriösen CO ₂-Durchschnittsfußabdruck für einen »klassisch ländlichen« Haushalt und einen »klassisch städtischen« zu erstellen. Die einzelnen Komponenten (Region, Pendeldistanzen, Haushaltsgröße, Gebäudeform, Anzahl der Pkws, Konsumverhalten) sind individuell einfach zu unterschiedlich, um sie über einen Kamm zu scheren. So ist natürlich die Klimabilanz eines Ökoselbstversorgers in der Pampa minimal, der mit Holz heizt, sich kalt wäscht, seine Alltagsbesorgungen mit dem Lastenrad erledigt und zweimal pro Jahr mit Bus und Bahn in die nächstgelegene Stadt reist, um dort zum Arzt zu gehen. Maximal schlecht steht dagegen die Großstädterin da, in deren dauerbeleuchtetem 200-Quadratmeter-Loft ein 40 Grad heißer Whirlpool blubbert, die in jedem Zimmer einen Flatscreen- TV laufen lässt, stets nur im SUV durch die Stadt rollt und jedes Wochenende mit dem Flieger zu City-Kurztrips jettet.
Wer hingegen beim CO ₂-Fußabdruck-Rechner www.klimaktiv.de ein wenig mit den verschiedenen Komponenten herumspielt – sich einmal als Land- und einmal als Stadtbewohner ausgibt – , wird auf das gleiche Ergebnis kommen wie der Vergleich zwischen meiner Schwester und mir. Es ist der schon erwähnte New-York-Effekt, der hier zum Tragen kommt.
Wissenschaftlicher haben Experten der Weltbank und der Universität Toronto untersucht, was genau die Klimabilanz eines Menschen beeinflusst. Dafür haben sie in drei verschiedenen Wohngebieten Torontos stichprobenartig die privaten Emissionen der Bewohner gemessen (Konsum, Verkehr, Heizung, Strom, ohne Flugreisen oder öffentliche Emissionen). Der Vergleich sprach Bände: Im sehr zentralen, mit Hochhäusern bebauten Innenstadtquartier East York betrug der CO ₂-Ausstoß 1,3 Tonnen pro Person pro Jahr – sprich: minimal. Im weniger zentralen, eng gebauten Einfamilienhausgebiet Etobicoke, das mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar ist, lagen die Emissionen rund fünfmal höher. Und im großzügig bebauten Wohngebiet Whitby am Stadtrand, wo weder Shoppingmalls noch U-Bahn-Stationen die Idylle stören, toppten sie den Innenstadtwert um den Faktor zehn.
Das Resümee der Wissenschaftler: »Was und wie du konsumierst, ist wichtig – entscheidend ist aber, wo du wohnst.« Und weiter: Ökologisches Konsumverhalten wie zum Beispiel der Verzicht auf Plastiktüten, Mülltrennung, Vorzug von
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