Stählerne Schatten
seine Eltern aufzubegehren, hatte Khamenei sich einem fundamentalistischen Eiferer angeschlossen: dem schiitischen Geistlichen Ruhollah Khomeini. Er hatte für Khomeinis Revolution gekämpft, ohne dessen heilige Visionen zu teilen – nur, weil das cool und heldenhaft war. Aber im Laufe der Zeit hatte er sich immer mehr Khomeinis theokratischen Ideen zugewandt. Khamenei hatte der Republik als Soldat, als erster Kommandeur der Revolutionswächter und sogar als Staatspräsident in Führungspositionen gedient. Jetzt war er der Revolutionsführer – aber trotzdem nur ein Mensch. Buschasi hatte diesen heiligen Mann zornig, traurig, betrunken und einfach nur dumm erlebt.
Buschasi wußte noch viel mehr über Khameneis zwielichtige Vergangenheit. Bei seinem unaufhaltsamen Aufstieg hatte der ausgebildete Soldat und gerissene Politiker Khamenei viele Rivalen ausgeschaltet oder beseitigt. Als der Iran zu Beginn des neunjährigen Vergeltungskriegs beinahe vom Irak überrannt wurde, warf Abolhassan Bani-Sadr, der damalige Staatspräsident, Khamenei, dem Befehlshaber der Revolutionswächter, vor, er gefährde durch sein Versagen den Staat.
Daraufhin berief der Ayatollah Khomeini Bani-Sadr plötzlich ab. Und als Muhammad Ali Rajai, ein politischer Konkurrent, 1981 zum Präsidenten gewählt wurde, kamen sein Premierminister und er bei einer rätselhaften Explosion im Kabinettssaal ums Leben, während Khamenei sie irgendwie überlebte. Ali Hoseini Khamenei hatte es immer wieder verstanden, alle Angriffe auf seine Autorität durch eine seltsame Kombination aus Gerissenheit im politischen Nahkampf und unerklärliche, stets im rechten Augenblick auftretende Katastrophen abzuwehren.
»Die Republik ist verraten worden, Euer Eminenz«, begann Buschasi, weil er wußte, daß das Wort verraten Khameneis Aufmerksamkeit erregen würde. »Da meine Befehle durch Gegenbefehle aufgehoben worden sind, ist die Insel Abu Musa, unser wichtigstes Protektorat im Persischen Golf, von Luftstreitkräften des Golfkooperationsrats angegriffen worden.«
Khamenei nahm diese Mitteilung überraschend ruhig auf…
nun, das war vielleicht nicht wirklich überraschend. Wie der General wußte, verdankte er seine Informationen keiner göttlichen Eingebung, sondern seinen Kontaktpersonen im Ministerium für Information und Sicherheit. Diese Leute unterstanden direkt dem Wächterrat und Khamenei. »Welche Schäden sind entstanden?« fragte der Ayatollah. »Wie hoch sind unsere Verluste?«
»Es hat nur einige Tote gegeben, Allah sei Dank, und kaum Verwundete«, sagte Buschasi mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Der Angriff hat den Abschußrampen von Lenkwaffen vom Typ Silkworm und Sunburn sowie den Hafeneinrichtungen gegolten. Bedauerlicherweise sind durch die Luftangriffe einige Schäden entstanden.«
»Meinen Informationen nach sind die Schäden erheblich«, widersprach Khamenei.
Seit dem Angriff war erst weniger als eine Stunde vergangen, aber Khamenei hatte sich bereits von seinem, Nachrichtendienst informieren lassen – gute Arbeit für einen frommen heiligen Mann. Khamenei saß nicht in Betrachtung seines Nabels versunken in einem Elfenbeinturm, sondern nahm tatkräftigen Anteil an den Regierungsgeschäften. »Das stimmt leider«, antwortete Buschasi. »Aber die Verteidigungsfähigkeit der Insel wird im Laufe des Tages wiederhergestellt, und bis dahin garantieren unsere See- und Luftstreitkräfte ihre Sicherheit.«
»Das ist sehr erfreulich«, sagte Khamenei leise, beinahe flüsternd, so daß seine Stimme an das Zischen einer Schlange erinnerte. »Trotzdem scheint Ihre Verteidigungsstrategie für Abu Musa etwas kurzsichtig gewesen zu sein… «
»Ich darf Euer Eminenz versichern, daß das nicht der Fall gewesen ist«, antwortete Buschasi. »Die von mir auf der Insel stationierten Verteidigungssysteme waren geeignet, die Raketenstellungen vor Luftangriffen aus allen Höhen und massierten Angriffen von See aus zu schützen. Die Insel ist von Bandar Abbas aus mit Großradargeräten überwacht worden und verfügte über eigene Radarstationen zur Luftraumbeobachtung.
Außerdem sind dort zur Abwehr von Landungsunternehmen siebentausend Mann stationiert, von denen jeder weiß, daß unsere Feinde jederzeit angreifen können, um diese Waffen zu zerstören und uns die Golfinseln wegzunehmen. Sämtliche Verteidigungsanlagen der Insel sind einsatzbereit und in Alarmbereitschaft gewesen.«
»Wieso konnten die Anlagen dann so mühelos zerstört werden,
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