Stählerne Schatten
wirklich der Ansicht, die Geistlichkeit sollte starken Einfluß auf die Tagespolitik haben – eine Meinung, die viele Iraner teilten. »Was sollten wir Ihrer Ansicht nach tun?«
»Ich habe meine Absichten schon oft erläutert, Euer Heiligkeit«, antwortete Buschasi. »Unser Hauptziel muß es sein, den Iran und seine Territorien zu verteidigen. Das ist unsere wichtigste Aufgabe, der wir mit allen Kräften nachgehen müssen.«
Er hielt einen Augenblick lang inne, dann sagte er: »Wir müssen allen nichtarabischen Kriegsschiffen die Einfahrt in den Persischen Golf verwehren. Keine Flugzeugträger, keine Lenkwaffenkreuzer, keine U-Boote mit Marschflugkörpern Tomahawk. Das alles sind Angriffsschiffe, die den Zweck haben, Krieg gegen die Anrainerstaaten des Persischen Golfs zu führen.
Die Trägerkampfgruppe Khomeini muß einsatzbereit gemacht und sofort in den Golf von Oman entsandt werden, um ausländische Kriegsschiffe abzufangen«, fuhr der General fort.
»Wie wir erlebt haben, dauert es selbst bei rechtzeitiger Alarmierung viel zu lange, bis landgestützte Flugzeuge auf einen Angriff auf die Inseln reagieren können. Nur der Flugzeugträger kann unsere Inseln wirkungsvoll gegen Tieffliegerangriffe schützen.«
»Der chinesische Flugzeugträger? Das rostige Stück Treibgut, das im Hafen Chah Bahar liegt?« fragte Khamenei verächtlich.
»Ich dachte, er diente als Wohnschiff für chinesische Berater, Strafgefangene, Basij-Freiwillige und Dschihad-Mitglieder, die den Stützpunkt ausbauen.«
»Die Khomeini ist voll einsatzbereit und steht zur Verteidigung unserer Rechte zur Verfügung«, beteuerte Buschasi. »Die Besatzung ist vollzählig, und sie hat alle vorgesehenen Flugzeuge und Waffen an Bord. Auch ihre Begleitschiffe sind zum Auslaufen bereit. Ich hatte den Flugzeugträger nach Abu Musa entsandt, um die Insel besser verteidigen zu können, aber wie alle unsere Streitkräfte ist er von diesem heimtückischen Angriff überrascht worden.«
Khamenei dachte über diesen Vorschlag nach. Der Flugzeugträger Ayatollah Ruhollah Khomeini war von Anfang an ein unrealistisches Projekt gewesen. Der nicht mehr einsatzbereite russische Träger Warjaq hatte seit 1991 im ukrainischen Hafen Nikolajew aufgelegen; er hatte kein Radar, keinen Funk, keine Flugzeuge und keine Bewaffnung – nur seinen Kernantrieb, sein Flugdeck und über dreitausend wasserdichte Abteilungen. Die Volksrepublik China hatte den 60.000 Bruttoregistertonnen verdrängenden Träger gekauft und einsatzfähig gemacht, aber der Widerstand der Staatengemeinschaft gegen die Vorstellung, China könnte in Krisengebieten wie dem Südchinesischen Meer und dem Japanischen Meer einen Flugzeugträger mit Kernantrieb einsetzen, war zu groß gewesen. Besaß China einen Träger, wollte Japan fünf anschaffen, und die Vereinigten Staaten wollten weitere fünf in diesen Seegebieten stationieren – deshalb wurde das Vorhaben wieder aufgegeben.
Damals hatte der Iran gerade Rüstungsmaterial für zwei Milliarden Dollar in China gekauft, und die Beziehungen zwischen den beiden Staaten waren so gut wie nie gewesen. Der Flugzeugträger war in den neuen iranischen Ölhafen und Marinestützpunkt Chah Bahar am Golf von Oman überführt und dort erneut aufgelegt worden. Was mit dem Riesenschiff geschehen sollte, war weiterhin unklar; zur Debatte standen seine Verschrottung oder eine Nutzung als schwimmendes Hotel oder Gefängnis.
General Buschasi hatte andere Ideen. In den folgenden eineinhalb Jahren installierten die Iraner auf dem Flugzeugträger verhältnismäßig moderne Waffensysteme, darunter auch russische Lenkwaffen zur Bekämpfung von Schiffszielen, russische Flugzeuge, empfindliche Sensoren und weitere Geräte aus aller Welt, während sie öffentlich behaupteten, sie »experimentierten« nur oder »unterstützten« China dabei, den Träger für andere Zwecke umzubauen.
Tatsächlich hatten die Piloten iranischer MiG-29 und Suchoi Su-33 damit begonnen, Trägerlandungen zu üben. Seit Anfang 1996 übten chinesische und iranische Deckmannschaften an Bord der Warjaq Einsätze im Persischen Golf. Gleichzeitig schossen chinesische und iranische Mannschaften bei Manövern Lenkwaffen zur Schiffsbekämpfung ab – auch die riesige überschallschnelle SS-N-19 Granit, die einen Flugzeugträger oder ein vergleichbar großes Schiff aus über dreihundert Kilometer Entfernung versenken konnte. Beide Staaten teilten sich die Kosten für den voll einsatzfähigen
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