Stahlfront 4: Verrat um Thule
anderen Reisenden die meist kurze Fahrt ungestört genießen konnten.
Unmerklich hob sich der Zug wenige Millimeter über die Schienen und beschleunigte mit spürbarem Druck. Schnell glitt er auf seinem aufgeständerten Fahrweg durch Neu-Berlin und hatte den Rand der Stadt nach wenigen Minuten erreicht.
Hier zog sich ein Gürtel von Feldern und Viehweiden um die Hauptstadt. Die Bauern, die hier ihr Land bewirtschafteten, ge-hörten zwangsläufig zu den wenigen, die innerhalb der Höhlenwelt Verbrennungsmotoren benutzen durften. Aber ihre Traktoren wurden nicht von stinkenden und qualmenden Dieselmotoren angetrieben, sondern von großvolumigen, niedertourigen Benzinmotoren mit Turboaufladung, die nicht nur bezüglich der Leistung, sondern auch des Drehmoments jeden Diesel in den Schatten stellten und dennoch die Luft nicht verpesteten. Der gegenüber einem Diesel geringfügig höhere Verbrauch der Benzinmotoren war in einem ölreichen Land wie Thule vernachlässigbar.
Noch einmal beschleunigte der Zug spürbar und ging auf seine Reisegeschwindigkeit von 600 Kilometern in der Stunde.
Wegen der von dem hohen Tempo verursachten Druckwelle ruhten die meist zweigleisigen Strecken der Magnetbahnen auf rund zwölf Meter hohen Betonpfosten. Von hier oben hatte man einen wunderbaren Blick über die herrliche Landschaft.
Thule war mit knapp 800 000 Quadratkilometern weit mehr als doppelt so groß wie die Bundesrepublik Deutschland und auch viel größer als das alte deutsche Kaiserreich, hatte aber mit »nur« 18 Millionen Einwohnern gerade mal ein Fünftel soviel Bürger wie die BRD.
Deshalb war es anders als diese keineswegs zersiedelt, sondern bot in weiten Teilen unberührte Natur. Die Wälder und Auen sahen zwar sehr urtümlich aus, waren aber erst wenige Jahrzehnte alt, denn bevor die von deutschen Ingenieuren entwickelten künstlichen Sonnen unter der Höhlendecke angebracht worden waren, hatte es in der Höhle kein Licht gegeben - und somit auch keine Pflanzen.
Wasser hatte hier unten ebenfalls gefehlt, bis man einige Gletscher von unten angezapft und so nicht nur genug Wasser für die nächtlichen Beregnungsstunden bekommen hatte, sondern auch für einige kleinere Flüsse, die Thule durchströmten und ab und zu einen See speisten, der zum Angeln und Baden einlud.
Während der Untergrund in einigen Gegenden des Reiches sehr flach war und an die norddeutsche Börde erinnerte, war er auf der Strecke Richtung Rommelburg, die der Zug durcheilte, hügelig, ja fast schon gebirgig.
Man hätte sich durchaus im Schwarzwald fühlen können oder im Voralpenland des Allgäus.
Berge gab es in Thule natürlich auch. Sie waren rund 3000 Meter hoch und einzigartig auf der Welt. Denn es handelte sich um 800 Meter durchmessende Pfeiler aus gewachsenem Fels, die sich senkrecht aus dem Boden erhoben und die drei Kilometer höher gelegene Decke trugen.
Archäologen hatten mittlerweile zweifelsfrei festgestellt, daß diese Höhlenwelt vor etwa eintausend Jahren aus dem massiven Felsuntergrund Neu-Schwabenlands herausgeschnitten worden war. Dabei hatten die unbekannten Baumeister, bei denen es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Außerirdische Intelligenzen gehandelt hatte - aber keinesfalls um die Chelipoda 36 , die man heute als AIn kannte -, alle fünf Kilometer einen solchen Pfeiler stehenlassen. Die Giganten waren also nicht errichtet, sondern einfach nur nicht abgetragen worden.
Mit welchen Mitteln man die gewaltigen Felsmassen entfernt hatte, war unbekannt. Auch auf die Frage, wo der gigantische Abraum geblieben war, hatte man bis heute keine Antwort gefunden.
Die Statiker Thules gingen zwar davon aus, daß man von jedem Pfeiler noch 200 Meter abtragen könnte, ohne die Stabilität der Höhle zu gefährden, und daß es auch gefahrlos möglich sein müsse, Tunnel für die Magnetbahn durch diese Säulen zu führen, aber das OKT hatte von Anfang an strikt verboten, Hand an diese »Stützen des Reiches« zu legen.
Und so mußten die Bahnen dann ab und zu einen weiten Bogen fahren, um einem der Pfeiler auszuweichen.
Magnus genoß den Blick aus dem Fenster auf die weitgehend unberührte Landschaft.
Häuser sah man hier draußen nur selten, denn wer unbedingt weitab der anderen leben wollte, mußte die notwendige Erschließungsstraße - samt eingebauter drahtloser Stromversorgung für die Elektroautos - selbst bezahlen, was ein verdammt teurer Spaß war.
Aber die Weite Thules - es hatte die geringste Bevölkerungsdichte pro
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