Stahlstiche
anbietet oder angeboten hat, aber Literaturgeschichte urteilt nach anderen Maßstäben.
DEUTSCHLANDRADIO KULTUR : Sagen Sie das jetzt auch mit Hinblick auf das Gedicht «Was gesagt werden muss»?
FJR : Das sage ich genau auch über dieses Gedicht, das ich unangenehm, falsch und schlecht finde. Aber auch das ist nicht die Gräte eines großen Werkes. Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel: Ezra Pound wird heute von Hemingway bis Joyce oder umgekehrt von Joyce bis Hemingway und bis zur Gegenwart als einer der ganz wichtigen modernen Poeten eingeschätzt und gefeiert. Niemand käme auf die Idee, nur die Rundfunk-Ansprachen von Ezra Pound im Mussolini-Radio als das unmittelbare Wesen und den Kern seines Werkes zu bezeichnen. Das ist töricht.
DEUTSCHLANDRADIO KULTUR : Was wünschen Sie Günter Grass zu seinem 85 . Geburtstag heute?
FJR : Ich wünsche ihm vor allem, daß es mit der Gesundheit besser wird oder einigermaßen vorangeht. Ich bin sehr besorgt um den Menschen, ich halte ihn immer noch für einen – mal mir nahe gewesenen – Freund, und ich weiß, daß er vieler Autoren Freund und Helfer war, so wünsche ich ihm, daß es ihm gut-, oder gar bessergeht, wenn möglich.
Erfolgs- und Skandalautor: DIE ZEIT , 42 / 10 . 10 . 1997 ;
Ein Mann, der den Zierat nicht braucht: DIE ZEIT , 43 / 17 . 10 . 2002 ;
Scham und Schande: Rede, gehalten in der Stadtwaage Bremen zur Eröffnung der Calcutta-Ausstellung von Günter Grass am 29 . Mai 2002 ; veröffentlicht in: «Die Welt», 12 . 10 . 2002 ;
«Ich habe mich verführen lassen»: DIE ZEIT , 17 . 8 . 2006 ;
Ein behutsamer Freund: DIE ZEIT , 42 / 11 . 10 . 2007 ;
Fazit am Abend: Telefoninterview zum 85 . Geburtstag von Günter Grass, gesendet von «Deutschlandradio Kultur», 16 . 10 . 2012 .
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Portraits
Sex bei offenem Fenster
Über eine heimliche Obsession William Faulkners
William Faulkner, der große amerikanische Schriftsteller, hatte eine heimliche Obsession: Sie hieß Meta und war Scriptgirl. Das Drama einer Leidenschaft, das nur in Hollywood spielen konnte – doch ohne Happy-End.
Es ist Frühjahr 1936 , der spätere Nobelpreisträger steht in Larry Edmund’s Bookshop und fragt nach seinem drei Jahre zuvor erschienenen Gedichtband «A Green Bough»; er will es einer schlanken jungen Frau schenken, der blonden Sekretärin des Regisseurs Howard Hawks. Der Verkäufer runzelt die Stirn: «Faulkner?» fragt er ratlos, «William Faulkner? Nie gehört den Namen.» Zu dem Zeitpunkt hatte der neben dem Roman «Sartoris» und zwei Bänden mit Kurzgeschichten die bedeutenden Romane «Schall und Wahn» und «Licht im August» publiziert. Sie waren
out of print
, weder im Buchhandel lieferbar noch beim Grosso-Haus oder beim Verlag zu bestellen. Der hilflose Verkäufer fand schließlich ein Exemplar des allgemein als anstößig empfundenen Romans «Die Freistatt», den Faulkners Verleger im Jahre 1930 mit dem Bemerken abgelehnt hatte: «Großer Gott, wenn wir dies drucken, kommen wir beide ins Zuchthaus!» Eine der zentralen Szenen ist die Vergewaltigung eines jungen Mädchens mit einem Maiskolben – viele Jahre später, auf einem dieser vielgehaßten literarischen Empfänge, fragte eine beflissene Dame nach dem autobiographischen Gehalt des Romans: «Und welche Figur sind Sie, Mr. Faulkner?», worauf er antwortete: «Ich bin der Maiskolben, Madam.» Ob ausgerechnet dieses Buch das rechte Geschenk für eine junge Dame war?
«For you, Miss Meta» – mit diesen Worten gab er den Band seiner Begleiterin, sie waren nach einem Essen in dem eher bescheidenen Restaurant Musso & Frank am Hollywood Boulevard, einer Flasche Wein, einem Cassoulet toulousain, noch spazieren gegangen. Die wohl dramatischste Beziehung in William Faulkners Leben hatte begonnen, gewiß seine intensivste Liebe.
Nach einigen vorangegangenen Aufenthalten in den MGM -Studios von Hollywood – Faulkner nannte die verhaßte Geldarbeit «Hurerei» – hatte ihn in akuter Geldnot ein Angebot von Howard Hawks erreicht, das Drehbuch für «A Road to Glory» umzuschreiben. Er hatte sich nach seiner Heirat mit dem Erwerb des später berühmten Rowan Oak – eines prächtigen, aber verfallenen «Ante-bellum-Herrenhauses» in Oxford, Mississippi, das zwar enormen Grundbesitz und die obligaten weißen Säulen, aber keine Elektrizität, kein Wasser, keine Heizung und marode Wände hatte – übernommen. Schon 1932 war er Mitarbeiter für Howard Hawks bei
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