Stahlstiche
Martini sagten: «Oh, Mr. Faulkner, können Sie mir einen oder zwei Titel Ihrer Bücher nennen?», Faulkner blieb hartnäckig. Nach wenigen Wochen hatte er gesiegt. Meta Carpenter ging mit ihm essen, er erschien mit einer weißen Gardenie in der Hand, bestellte jenen Wein für acht Dollar, jenes Cassoulet toulousain, und sang in ihrem kleinen Auto auf der Rückfahrt Lieder vom Mississippi und Jazz-Songs aus New Orleans. Als sie endlich allein sind, hat sich der Gentleman im Tweed in einen so rasenden Liebhaber verwandelt, daß Meta Carpenter geradezu erschrocken merkt, wie lange dieser Mann allein gelebt haben muß. «Wir liebten uns bei offenen Fenstern, der Wind von der See blähte die Vorhänge, und das Mondlicht bleichte das Gesicht meines Liebhabers, als er hinterher entspannt und friedlich neben mir lag. Es war das erste Mal, daß wir eine ganze Nacht für uns hatten … In dem fahlen Morgenlicht konnte ich das erste Mal sehen, wie der Schlaf sein Gesicht veränderte. Wie schön er war.»
Doch der knapp 40 Jährige ist nicht nur ein explodierender Liebhaber, der seine jahrelang ungelebte Sexualität gleich einer machtvollen Eruption über diese rasch hoffnungslos verliebte junge Frau schüttet – er ist auch der Schriftsteller, der sich in sein kunstvolles Schneckenhaus zurückzieht, sich in verwinkelte Einsamkeit verdunkelt. Er ist auch beim Lieben Schriftsteller: «Ich muß diese weiße Haut irgendwie beschreiben. Es ist kein ausgebleichtes Weiß, sondern sie ist überglänzt von Elfenbein und Alabaster. Noch nie habe ich eine Frau mit einer solchen Haut gesehen.»
Doch William Faulkner war auch voller Argwohn gegen die eigene Sexualität. «Ich hatte immer Angst davor, die Kontrolle über mich zu verlieren. Ich bin dann nicht mehr ich selber, bin irgendein anderer. Ich hatte lange Zeit große Schwierigkeiten mit Frauen, habe sie eigentlich nie überwunden.» Es scheint, als habe er die eigene Bisexualität, seinen so steten wie stets unerfüllt gebliebenen Traum vom Androgynen nicht begriffen. Liest man Faulkners Biographien, so sind die Beschreibungen des «Knabenhaften» der extrem jungen Mädchen, die er liebte, bewunderte oder später hinfällig anbetend nicht mehr erreichte, kaum zu zählen – knabenhafte Figuren, knabenhaft-zarte Brüste, knabenhafte Taillen – eine Galerie jugendstiliger Zwitterwesen.
Wie sollte eine junge Frau das verstehen, die sein stürmisches Begehren für Versprechen und Endgültigkeit nahm. Doch Faulkner, der nicht oft genug mit ihr schlafen konnte, schlief allein. Er unternahm keinerlei Anstrengung in Richtung auf ein Leben zu zweit; während sie von einem normalen Leben träumte, von Kindern, dem Rührei zum Frühstück und dem Dämmerdrink auf der Terrasse eines gemeinsamen Hauses – schrieb er die obligaten «Ich-vermisse-Dich»-Briefe nach Hause an Estelle. Streckenweise liest sich das Memoirenbuch dieser Hollywood-Liebe wie ein Hollywood-Drehbuch. Zumindest er scheute vor keinem Klischee zurück, das jeder Ehemann der verheimlichten Geliebten kredenzt: der Schulden, die eine Scheidung verhindern; der Frau, die ihn nicht versteht und zu viel Geld ausgibt; dem geliebten Töchterchen, das einer Trennung im Wege steht; der Reputation, die für seine Arbeit notwendig ist. William Faulkner macht keine gute Figur. Er spart beim Ausgehen mit der Frau, die er beschwört: «Ich möchte alles in dich hineinpumpen, was ich bin und habe.»
Jeder geschickt gemachte Hollywood-Film hat drei Akte. Der erste Akt ging dem Ende zu: «‹Wann fährst du zurück nach Oxford?› fragte ich ihn. ‹Nächste Woche, vermutlich.› Nervös räusperte er sich. ‹Und das muß sein?› – ‹Ja, Ma’am.› – ‹Also eine Woche› – ich mußte mich beherrschen, nicht loszuheulen. ‹Das ist also alles, was für uns noch bleibt.› – ‹Vielleicht ein Tag weniger oder ein Tag mehr. Je nachdem.› – ‹Ma’am?› – ‹Und was wird denn bloß aus uns?› – ‹Du wirst mir sofort schreiben!› befahl Bill geradezu. ‹Wie denn?› Schluchzen würgte meine Kehle. ‹Soll ich etwa auf den Umschlag schreiben: Mr. William Faulkner, Rowan Oak, Oxford, Mississippi, bitte komm in fünf Tagen sofort zurück zu Miss Meta Carpenter, Hollywood, California?›
Die Menschen begannen, in den Zug einzusteigen. Ein Schaffner rief: ‹Einsteigen, bitte!› Und Bill sagte: ‹Geh zurück zum Studioclub, Liebste. Warte um Gottes willen nicht, bis der Zug abfährt. Ich will nicht sehen,
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