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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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einem Film mit Joan Crawford und Gary Cooper gewesen. Nun war er zurück an den widerlichen Milch- und Honigtöpfen der Traumfabrik. «Er betrat das Vorzimmer in den Twentieth-Century-Fox-Studios, ein kleiner Mann mit raschen Bewegungen in einem Tweed-Anzug, der nicht recht saß, und er schaute mich an, einen langen Augenblick, voller Überraschung, als habe er eine sorgsam vorbereitete Rede vergessen oder als habe er jemand anderen hinter dem Schreibtisch erwartet; dann sagte er: ‹Ich bin William Faulkner, und ich glaube, Mr. Hawks erwartet mich.› – ‹
Der
Mr. Faulkner?› – ‹Ich glaube, genau der, Ma’am. Jedenfalls wüßte ich von keinem anderen. Sie sind aus den Südstaaten, nicht wahr? Ich erkenne das an Ihrem Tonfall.› – ‹Mr. Faulkner, ich bin nicht nur aus den Südstaaten, ich bin in Mississippi aufgewachsen.› – ‹Ich nehme das als gutes Omen, daß ich an meinem ersten Hollywood-Tag jemanden aus dem Süden treffe.›» Später wird er diese erste Begegnung mit Meta Carpenter sehr genau zusammenfassen: «Als ich da an der Tür stand und Dich sah, wußte ich blitzartig: Das ist die Frau deines Lebens.»
    Als junger Mann hatte er das von Estelle Oldham, Tochter einer alteingesessenen Südstaatenfamilie, gedacht. Doch Estelle wurde an einen wohlhabenden Karrierejuristen in Honolulu verheiratet, wo sie – bald Mutter zweier Kinder – ein luxuriöses Leben führte, ausstaffiert mit teuersten Seidenroben, kostbarem Schmuck und einem Dutzend Dienstboten. Zwei Jahre später kommt Estelle zurück, getrennt von ihrem Mann, der sie unentwegt betrog, eine depressive Alkoholikerin, die nun auf William Faulkner setzt, denn nur eine neue Ehe kann Reputation und Normalität wiederherstellen. Die Ehe wird geschlossen – Reputation und Normalität stellen sich keineswegs ein. Es ist ein von Beginn an zum Scheitern verurteiltes Paar. Er, der die Ehe wohl aus einer Mischung von Gentleman’s Noblesse und jenem fast kindlich-unstillbaren Bedürfnis nach Zärtlichkeit eingegangen ist, das ihm später einmal ein Arzt bescheinigen wird; sie, die in ihrer Trauer um zerschlissene Gloire und entschwundenen, von Personal umspielten Reichtum nur Geld ausgeben kann ohne Gedanken daran, woher es kommt – beide schwere Alkoholiker. Ein zerfetztes Paar – er eingesunken in die schwarzen Phantasien, aus denen er sein grandioses Werk schaffen wird; sie ertrunken in Träumen der Verlorenheit – zieht in das Gespensterhaus, wo man sich morgens im Freien unter der Pumpe waschen muß, wo der Hausherr mit einem alten Diener eine Treppe baut, Fenster einsetzt oder Holz fällt und wo die Hausfrau bald ein wenige Tage später sterbendes Kind gebiert. Die zweite Tochter Jill, geboren im Juni 1933 , bedeutet das Ende der Ehe; seit ihrer Geburt berühren die Eheleute einander nicht mehr. Das ist der Moment, in dem Faulkner nach dem Strick Hollywood greift, von dem er nicht weiß, ist es das rettende Seil oder die würgende Schlinge.
    Und da saß die knabenhaft schlanke, 28 jährige blonde Schönheit im Vorzimmer des rettenden Engels namens Howard Hawks. Schon am zweiten Tag taucht er derart schwankend im Studio auf, daß zwei Assistenten des bereits berühmten Regisseurs ihn schleunigst ins Hotel schaffen.
    Am nächsten Tag ist Faulkner nüchtern, munter, frisch rasiert, in der einen Hand die Pfeife, in der anderen mehrere Blatt seines ersten Filmdialog-Entwurfs. «‹Miss Meta, ich wäre überglücklich, wenn Sie mit mir heute Abend ausgehen würden.› Wäre es irgend jemand anderes als William Faulkner gewesen, hätte ich eine beliebige Verabredung vorgeschützt, ein Konzert, für das ich bereits Karten hätte, eine Einladung zum Tanz. Aber irgendwie brachte ich es nicht fertig, diesen so angenehmen, eleganten kleinen Mann anzulügen. ‹Tut mir leid›, sagte ich und schaute ihm in seine tiefernsten braunen Augen. ‹Einen anderen Abend vielleicht?› – ‹Tut mir leid, Mr. Faulkner.› Mit einem Lächeln, das ein ‹Na gut, aber nicht für immer› zu signalisieren schien, deutete er eine Verbeugung an, mit der er die Ablehnung akzeptierte, und verließ das Büro.»
    Doch Faulkner, enerviert von Hollywood, dem leeren Geschwätz, das er auf gelegentlichen Partys mit Gary Cooper, Lillian Hellman oder Mary Pickford über sich ergehen lassen mußte in den Prunkvillen mächtiger Produzenten, die ihre schlechtbezahlten Autoren ganz unverblümt als «Remington-Sklaven» bezeichneten und deren Gattinnen beim

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