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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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daß hier und dort die Größe dieses Gedichtes erkannt und auch laut wird.
    Zu den Grüßen meiner Frau, Dir und Deiner Frau, mein freundlicher Gruß, Günter
    Derlei kann manchmal eine kleine diskrete Hilfsbereitschaft sein – dem jungen Nicolas Born bot Grass einen Kredit an –, und es kann eine große berührende Beharrlichkeit sein; als nach Jahren der kollegialen Nachbarschaft in Berlin (und gemeinsamen, vom «Blechtrommel»-Autor mitfinanzierten Amerikareisen) der unvermeidliche Bruch mit Uwe Johnson eintrat – unvermeidlich, weil dieser vom Jugendfreund Bierwisch bis zu den Kollegen Enzensberger, Walser und Frisch sich mit jedem selbstgerecht überwarf –, da schrieb Grass ihm traurig, aber nicht lockerlassend, er werde trotz allem das Werk des Störrischen hochhalten.
    Das geht ziemlich weit. Aber wer, wie so viele Grass-Kritiker, zunehmend gerne den bärbeißigen Wüterich sieht, ein verzerrtes Riesenschattenbild des Nobelpreisträgers an die Menetekelwand malt, der darf erinnert werden: So schrecklich viele Schriftsteller gab es nicht, die ebendieses Nobel-Preisgeld verschenkten. Gewiß, der auflagenverwöhnte und in ich weiß nicht wie viele Sprachen Übersetzte ist kein armer Mann. Aber der Auflagenmillionär García Márquez, «Gabo» der Castro-Freund, lebt auch nicht in den Favelas. Jean-Paul Sartre, der für sein hochgemutes Ablehnen des Preises gefeiert wurde, ließ später beim Nobelpreiskomitee heimlich eruieren, ob man ihm nicht ohne Aufsehen den Geldbetrag zukommen lassen könne. Um es einmal mit unvornehm lauter Stimme zu sagen: Dieser Günter Grass, gelegentlich mit Sportjournalistenhäme verfolgt – «Verschimpfierung» sagte Thomas Mann dazu –, hat über viele Jahre hinweg anderen Schriftstellern geholfen. Er trägt keine Tausend-Euro-Schuhe (was ja nicht verboten wäre), wie der «Spiegel», wie so oft aus Jagdlust verzerrt, fälschlich zu berichten weiß. Dieser Günter Grass hat ein Haus gestiftet, in dem junge Autoren mit einem Stipendium arbeiten können. Er hat aus seinem Honorarbeutel den inzwischen renommierten Döblin-Preis finanziert – neben verschiedenen anderen Preisen. Gibt es derlei aus dem Erbe (oder zu Lebzeiten) Thomas Manns? Der war ja, wie man hört, nicht direkt ein Sozialfall. Auch vom hochtönenden Marxisten Bertolt Brecht lässt sich Vergleichbares nicht berichten; der hat sein Urheberrecht testamentarisch aufgeteilt und vermacht wie eine Parfümeriekette mit angeschlossenem Buchvertrieb. Seine Erben steckten in rasender Antikapitalismus-Wut einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in die eigenen Täschchen, als sie den «Nachlaß» veräußerten. Der auch nur lütteste Preis für Nachwuchsdramatiker existiert nicht.
    Nun mißt sich der Wert eines Schriftstellers gewiß nicht an seinen Kontobewegungen. Die Wortbewegungen zählen. So wäre also zu fragen, ob denn der Wortfallensteller Grass, ob sein Werk grundiert ist von dieser Haltung der Anteilnahme. Wenn eingangs gesagt wurde, dieser Dichter «verbirgt» sich – so stimmt das nämlich nicht. Keineswegs waren es Gesten jenseits der Literatur, wenn er, Gast in Hans Mayers legendärem Leipziger Hörsaal, den entgeisterten DDR -Kulturfunktionären «Schöne Grüße von Uwe Johnson» entbot; sowenig es gönnerhaft war, als er den frisch ausgebürgerten und weithin unbekannten Hans Joachim Schädlich bei mehreren Lesereisen «ins Schlepptau» nahm, um ihn vorzustellen (die Beziehung ging später, wie man weiß, in die Brüche). Dieser Günter Grass wrang aus dem verkündeten «Prinzip Zweifel» durchweg auch jenen Selbstzweifel, von dem er immer wieder Kunde gab: «Aber graustichig ist mein Traum.» Schon früh heißt es in einem Gedicht: «Schon ist Gefühl zu haben … unheimlich irgendwie», wenig später fügt er dem die Zeile an: «Aber uns gab es doch: ich und du – wir.» Es zieht sich eine seltsam zögernde, leise Spur des sich Anbietens und Ausbietens durch das Werk, immer getragen von jenem Aufbegehr, ohne das Literatur wohl nicht entstehen kann:
    Neu und entsetzt
    sehe ich meinen Abfall
    und wie die Linien wackeln.
    Überinterpretation sollte man es nicht nennen, wenn man da erinnert wird an das leicht befremdliche Gebot: «Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst.» Was ja ins Alltäglich-Grobe übersetzt heißt: keine Liebe ohne Eigenliebe. An der, fraglos, hat es Grass nie gemangelt; auch nicht an Selbstinszenierung. Doch da er Künstler ist, gelang es ihm immer wieder, aus seinem

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