Stahlstiche
Faulkner zu brechen.»
Um die bildschöne junge Meta Carpenter hatte seit langem der in Hollywood gastierende deutsche Pianist Wolfgang Rebner, Sproß einer schwerreichen jüdischen Frankfurter Familie, geworben; sie hatte ihn stets abgewiesen. Jetzt kam seine Chance. Sie war eine sehr weibliche Frau, wollte heiraten, ein Heim, Kinder – und sie, die wenig von Nazideutschland, Hitler und dem drohenden Schicksal der deutschen Juden in ihrer Hollywood-Welt wußte, gab seinem Drängen nach. Faulkner, dem sie von ihrer bevorstehenden Heirat erzählt hatte, wünschte ihr Glück; aber ganz gab er nicht auf: «‹Ich gehöre zu dir, Ma’am. Ich fühle einfach, daß du zu mir gehörst und immer zu mir gehören wirst. Ich muß jetzt zurück ins Studio›, sagte er, fummelte in seinen Taschen nach dem Geld für den Kellner und vermied es, mich anzusehen. Am späten Nachmittag rief er mich an. ‹Laß uns zu dir gehen›, sagte er. ‹Nein.› – ‹Nein?› – ‹Ich schlafe mit dir nicht mehr.› Suchend blickte er mich an. ‹Wenn ich das so sage, Bill, dann meine ich es auch. Ich bin jetzt mit Wolfgang verlobt, und ich werde ihn heiraten.› – ‹Aber er ist weit weg, irgendwo, Tausende von Meilen.› – ‹Das macht doch keinen Unterschied.› – ‹Und ich bin hier.› – ‹Das weiß ich wohl, und das macht es für mich nicht einfacher.› Bill mokierte sich. ‹Mir scheint, du lebst in einem romantischen Traum.› – ‹Nenn es, wie du willst. Aber ich geh nicht mehr mit dir ins Bett.› – ‹Nicht einmal ein letztes Mal?› – ‹Nein.›»
Es beginnt die Höllenfahrt der Meta Carpenter. Nach ein paar Monaten, die sie noch einmal als Sekretärin für Howard Hawks arbeitet, der gerade einen Film mit Katharine Hepburn und Cary Grant dreht, heiratet sie Wolfgang Rebner. Sie reisen nach Deutschland. Das riesige Stadtpalais seiner Familie, regiert von einer so herrischen wie störrischen Großmutter, die über ein Heer von Dienstboten und Chauffeuren zu gebieten gewohnt war, gleicht einem Gespensterhaus. Draußen marschiert die SA . Drinnen ist niemand mehr. Wer es irgend geschafft hat von Freunden und Familienmitgliedern, ist ins Ausland geflüchtet. Das große Vermögen ist beschlagnahmt. Meta Carpenter befindet sich in einem Horrorfilm – ihr Mann wird aus seinem Lieblingslokal gewiesen, die Großmutter darf nicht auf den Bänken des Parks sitzen, den ihr Mann der Stadt Frankfurt gestiftet hat, Meta wird – kenntlich an Kleidung wie Make-up als Amerikanerin – angepöbelt. Das junge Ehepaar flüchtet nächtens über Holland zurück nach New York, wo der nun gänzlich mittellose Pianist vergebens auf eine Konzertkarriere hofft, stattdessen als mies bezahlter Begleiter von Starsolisten mit ihr in immer kümmerlichere Quartiere ziehen muß; ein ehemals verwöhnter, lebensuntüchtiger, nun greinend-deprimierter Flüchtling unter abertausenden.
Die Ehe wird in der Mühle der Exilmisere zermahlen. Meta flieht in einem jähen Entschluß zu ihren Eltern nach Arizona – sie unterbricht aber die Reise in New Orleans – für eine rasende Nacht mit William Faulkner, der sich auf und in sie stürzt wie ein Ertrinkender. Immer wieder spricht er wie in Trance die eigene Zeile aus «Wilde Palmen»: «Zwischen Gram und Nichts entscheide ich mich für den Gram.» Es ist ein Taumel von Liebesgestammel und entfesselter Sexualität – und es ist ein verschlingender Strudel, der beide noch einmal an entfernte Ufer schleudert; keine Lösung für keinen. Er kehrt zurück zu Estelle nach Oxford, sie kehrt zurück zu Wolfgang Rebner nach New York. Meta reicht die Scheidung ein. Sie lebt wieder in Hollywood, das trotz der Kriegszeiten boomt. Sie avanciert zum Scriptgirl und arbeitet für Bette Davis. Und die Zeit der Briefe beginnt wieder. Briefe wie Hilferufe. In ihrer groben Obszönität oft mehr Onanierspiegel denn Ausdruck der Sehnsucht: «Ich wiege jetzt 129 Pfund, und die will ich alle auf Dich stürzen – und so viel in Dich hineinstürzen, wie ich nur kann, kann, kann, kann, muß, muß, will, will, werde.» Der alte Magnetismus funktioniert. Und die alte Hoffnung flackert auf: vielleicht doch wieder Hollywood, vielleicht doch wieder ein Studiovertrag, vielleicht doch wieder Meta. «Eines Samstagabends, die Dämmerung war schon hereingebrochen, parkte ich meinen Wagen vor dem Haus – und da saß Bill, die Füße übereinandergeschlagen, auf der Treppe zu meinem Apartment, sein Gepäck neben
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