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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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sich.»
    Der dritte Akt des Dramas ist Wiederholung – alles das gleiche, doch alles etwas blasser. William Faulkner – inzwischen gerühmt und anerkannt als einer der Großen der Weltliteratur zwischen Tokio und Paris, wo Jean-Paul Sartre ihn bald «unseren Gott» nennen wird – ist in den Fängen der Familie, des immer erweiterten, immer mehr Geld verschlingenden Besitzes und strangulierender Filmverträge, für die er nur mehr 300  Dollar pro Woche bekommt, ein Bruchteil des Honorars von 1936 . Doch auch die Liebe zwischen William Faulkner und Meta Carpenter ist Wiederholung. «Wir hatten unsere Beziehung wiederaufgenommen, als habe sich nicht Zeit dazwischen gedrängt, als seien wir beide trotz der vergangenen Jahre unverändert, aber fast sofort wurde uns beiden klar, daß es nicht mehr dasselbe war und daß es nie mehr so sein könnte, wie es einmal war. Es war zuviel Zeit verstrichen. Keiner von uns beiden war mehr, was er einmal gewesen war. Ich war nun eine Frau, die auf eigenen Füßen stand, die selbständig durch die Welt ging, die ihre Probleme selber zu lösen wußte; nicht mehr abhängig, nicht mehr unbehütet, nicht mehr ergeben. Ich war herausgewachsen aus der Zeit von niedlichen Puppen und Haarschleifen und Gummienten für meine Badewanne. Als ich damals mich in Faulkner verliebte, hatte ich die vernünftige, wenn auch etwas einfältige Erwartung, daß wir eines Tages heiraten würden. Jetzt hatte ich keinerlei Erwartung mehr. Ich bat um nichts und erwartete nichts. Er war mein Liebhaber, das war nicht genug, aber ich machte es mir so zurecht, daß es für mich genug war.»
    Nur eines ist keine Wiederholung, sondern Steigerung: das Trinken. Faulkner verbringt den größten Teil des Jahres 1943 in Hollywood, gelegentlich von Meta Carpenter fürsorglich in einer Entziehungsanstalt in Cahuenga bei Yucca untergebracht, gelegentlich bei der Familie auf Rowan Oak. Anfang 1944 erhält er das Angebot zum Umschreiben von Hemingways Roman «Haben und Nichthaben», den Howard Hawks mit Humphrey Bogart verfilmt – an dem Meta Carpenter mitarbeitet. Nach sechs Monaten Unterbrechung war Faulkner wieder da, die letzte Wiederholung beginnt. «Während ich in Faulkners Armen lag, stellte ich mir vor, wie es wohl für Kriegsbräute gewesen sein muß, wenn ihre jungen Männer nach jahrelanger Abwesenheit wieder mit ihnen schliefen. Diese explosionsartige Erleichterung nach einer so langen Abstinenz, vermutlich eine seltsame Scheu und dann doch Initiative und Stürmischkeit.»
    Es war die große Romanze, ein Liebesfilm in drei Akten. Und als die allerletzte Spule der Wiederholung sich drehte, war es eine Wiederholung zu viel: «An einem Wochenende trafen wir uns zu einem späten Abendessen, und Bill faßte endlich den Mut, mir zu sagen, was er mir wochenlang verschwiegen hatte. ‹Carpenter, ich bringe Estelle und Jill für den Sommer hierher. Sofort, wenn Jills Ferien beginnen.› – ‹Für wie lange?› – ‹Den ganzen Sommer über.› Er knallte sein Glas auf den Tisch. ‹Ich habe bereits für die Familie ein Haus gemietet. Es macht überhaupt nichts aus, daß sie hier sind›, sagte Bill. ‹Zwischen uns kann alles so weitergehen wie bisher.› – ‹Bill, ich erinnere mich gut genug daran, wie es das letzte Mal war. Ich bin nicht bereit, das noch einmal mitzumachen. Dazusitzen und auf dich zu warten, wann du dich eventuell in der Nacht davonstehlen kannst. So lange auf das Telefon zu starren, als würde es davon anfangen zu klingeln und deine Stimme zu mir tragen. Nein, Bill.› – ‹Ich lebe nicht mit meiner Frau. Ich schlafe nicht mit ihr.› – ‹Das macht die Sache nicht besser.›
    Er war sehr nachdenklich, als ich ihn in meinem Wagen in sein Hotel brachte. In seinem Sitz zusammengekauert, die Hände zwischen den Beinen verknotet. ‹Es ist noch früh›, sagte er, ‹komm doch noch mit mir rauf.› – ‹Nein, ich denke nicht daran.› – ‹Du willst offenbar wirklich nichts mehr mit mir zu tun haben.› – ‹Gute Nacht, Bill.› Als ich in der Wohnung ankam, klingelte das Telefon. ‹Meta, ich habe nachgedacht.› Ich wußte jetzt schon, was kam. ‹Ich sehe wirklich keine Möglichkeit, mein Versprechen zu brechen.› – ‹Das wär’s dann wohl.› – ‹Ja, Ma’am.› Ich hielt den Hörer weit weg von meinem Ohr, damit seine Stimme entfernt, leise und liebevoll klingen sollte. ‹Ich weiß, Meta, daß du nicht mehr mit mir schlafen willst. Aber können wir uns nicht

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