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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Studiogelände ein, der mir einen kurzen Brief überbrachte. Ich sei geradezu quälend in seinem Blut und in seinen Knochen und in seinem Leben. ‹Meta, Meta, geliebte, kostbare, sehr, sehr, sehr geliebte. Ich möchte Dir gute Nacht sagen, und ich möchte Dir diese Worte in Deine Hände legen und in Dein Herz pflanzen.›»
    Der zweite Akt des Dramas beginnt, schon nicht mehr frei von Farce und Schmiere. Kurz nachdem das luxuriöse Haus bezogen ist, besteht Faulkner darauf, daß Meta Carpenter – als Camouflage zusammen mit einem eingeweihten Freund – das Ehepaar Faulkner zu einem Dinner besucht; was erstaunlicherweise die offenbar fast hypnotisierte Meta Carpenter akzeptiert, wenngleich sie selber nachsinnt, ob ihr Liebhaber damit wohl eine tief eingewurzelte Morbidität, einen genießerischen Sadismus befriedigen will. Als habe er sich die Rolle geschrieben, öffnet Faulkner die Tür, mixt kühl die Drinks, macht die beiden Frauen miteinander bekannt, und Meta Carpenter stellt nicht ohne Genugtuung fest: «Sie war eine kleine graue, ausgewrungene Frau in einem undefinierbaren Kleid. Wenn sie jemals schön gewesen sein sollte – und sie muß ja von einer gewissen Schönheit gewesen sein, zumindest, als sie ihren ersten Ehemann an sich band –, waren davon kaum noch Spuren zu entdecken. Dieser erste Eindruck wirbelte in meinem Kopf herum, die Entdeckung, daß sie eine blasse, traurige, verwüstete Kreatur war.»
    Der Abend, an dem Estelle ihren Mann neckisch «Billy» nannte und davon plauderte, daß er ihr nun das Schreiben beibringe, war gespenstisch. Die Folgen waren es auch. Als kurz darauf William Faulkner seiner Frau die Wahrheit beichtet, bekommt sie einen hysterischen Anfall, droht, sich aus dem Fenster zu stürzen, beißt, kratzt ihn blutig, wirft eine wertvolle Puderdose aus dem Fenster und verlangt sein Versprechen, «deine Miss Carpenter nie mehr zu sehen». «Nein, das werde ich dir nicht versprechen», entgegnet er ihr diesmal mannhaft, «ich liebe diese Frau, und ich werde sie weiter sehen.» – «Dann vergiß nicht», schreit die empörte Estelle, «daß wir im 20 . Jahrhundert leben! Du kannst deine Miss Carpenter behalten – aber ich werde deinen Namen behalten bis an meines Lebtags Ende.» Sie drohte, seinen gesamten Besitz und das Pflegerecht an der Tochter an sich zu reißen. Am nächsten Tag kaufte sie eine 125 -Dollar-Robe und zerschnitt sie vor seinen Augen. Dialogschreiber William Faulkner – er betrat mit den Worten «Dies ist Estelles Handschrift» auf sein zerkratztes Gesicht weisend Metas Wohnung und wischte das Blut in ein Taschentuch – begann ein Abschiedsgespräch: «‹Ich glaube, sie wollte mich umbringen; oder sich. Immer bisher›, sagte Bill vollkommen hoffnungslos, ‹habe ich dir gesagt, daß ich ein Licht am Horizont sehe. Das ist erloschen. Ich werde nicht frei sein, Meta. Ich weiß jetzt, daß ich ganz bestimmt nicht freikomme. Nicht für eine sehr, sehr lange Zeit.› Ich starrte ihn fassungslos an. ‹Willst du mir sagen, wir haben keine Chance? Es gibt überhaupt keine Hoffnung, daß wir je zusammenleben können?› – ‹Keine›, sagte Bill still. ‹Keine, Ma’am. Zumindest nicht, bis Jill alt genug ist, um vor Gericht zu erscheinen und vor einem Richter auszusagen, daß sie nicht weiter mit ihrer Mutter, sondern lieber mit ihrem Vater leben will.› – ‹Aber wann wird das sein?› – ‹Vermutlich nicht, bevor sie zwölf Jahre alt ist. Das wird wohl das jüngste Alter sein, in dem sie ein solches Urteil selber fällen kann.› – ‹So lange?›
    Alles Vertrauen, das mich aufrechterhalten hatte, zerrann zu Wasser. Das ganze Gebäude von Hoffnung, das ich errichtet hatte, brach zusammen. ‹Großer Gott, Bill, das sind ja noch zehn Jahre.› Tödliche Stille. Endlos. Dann kam sein ‹Ja, so ist es›.»
    Bohrend und allmählich wurde mir in meiner Schlaflosigkeit klar, daß meine Liebesbeziehung zu William Faulkner zu Ende ging. Eine giftige Spinne hatte diesen seidenen Traum verspeist. Bill war in einer Sackgasse, aber ich auch. Ich konnte diese endlosen zehn Jahre nicht warten, bis vielleicht oder nicht eine zwölfjährige Jill irgendeinem huldvollen Richter erklärte, daß sie lieber mit ihrem Vater als mit ihrer Mutter aufwachsen möchte; oder auch umgekehrt. Ich würde dann weit über 35 sein, mein 40 ster Geburtstag nur einen Lidschlag entfernt. Steinerne Mauern wuchsen um uns. Am Morgen war meine Entscheidung gefallen, mit William

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