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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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setzen ihre Hoffnungen auf ihn. Selbst Breshnew und seinesgleichen erwarten sich etwas von ihm. Und dennoch ist die stärkste Armee der Welt die Sowjetarmee, die Nachfolgerin der Roten Armee. Dem muß man Rechnung tragen.
    Als über den Mamai-Hügel, von ihrem Einsatz zurückkehrend, im Tiefflug von Kugeln durchsiebte IL hinwegrasten, stockte uns das Herz, stolz betrachteten wir die roten Sterne auf den Tragflächen. Auch auf unseren Stern, auf der Feldmütze, der Ohrenklappenmütze, der Schirmmütze, waren wir stolz. Rot, fünfzackig, durchlöcherte er die vom vielen Waschen fadenscheinige Lazarettkleidung. Und selbst brillantenübersät unterm schlaffen Marschallskinn weckte er Hochachtung.
    Jetzt ist er mit Schande bedeckt. Für den Afghanen bedeutet er das gleiche wie für uns seinerzeit die Hakenkreuzspinne. Ein Symbol der Versklavung.
    Trotzdem – würde ich »meine hundert Gramm« mit einem sowjetischen Panzersoldaten trinken? Nicht auf der Place de la Concorde, dahin wird er niemals kommen – ohne die kapitalistische Welt, die amerikanischen Kredite, den kanadischen Weizen, das argentinische Fleisch, die finnischen Eier, die französischen Hühner würde unser reifer Sozialismus nicht einen Tag überleben –, irgendwo anders, wo, weiß ich noch nicht, würde ich es bestimmt tun! Und dann würde er mir sagen … Was könnte er mir schon sagen?
    An meinem Bücherregal in Paris hängt ein Foto, das seinerzeit um die Welt gegangen ist: ein junger sowjetischer Panzersoldat in Prag, im unvergeßlichen Jahr achtundsechzig. Er hat sich in seinem Turm eine Zigarette angezündet und blickt auf die unbekannte, ihm so fremde Stadt, auf die Menschen, zu deren – ja, wie denn nun? – Befreiung, Schutz oder Unterwerfung er hergekommen ist, seine Stirn ist gerunzelt, und in seinem Blick liegt nichts als betroffenes Staunen, Verwirrung und bohrendes Grübeln: Wozu bin ich hier? Wozu bloß? Und was habe ich zu tun?
    »Für unsere gerechte Sache!« 20 So heißt ein wundervolles Buch des großen russischen Schriftstellers Wassili Gross man. Es ist Stalingrad gewidmet, einer der größten Schlachten in der Geschichte der Kriege. Würde er jetzt zum Leben wiedererwachen, Wassili Semjonowitsch, bekäme er allein von diesem Titel eine Gänsehaut. Selbst dieser kluge, ja weise Mann, der vieles wußte, was wir nicht wußten, der die Wahrheit über alles stellte, selbst er glaubte, wir hätten damals für eine gerechte Sache gekämpft.
    Der Feind wird vernichtet werden! Der Sieg wird unser sein! Doch unsere Sache hat sich als ungerecht erwiesen. Darin liegt die Tragödie meiner Generation. Meine auch …
    Jerusalem, 7. Mai 1981
    Viktor Nekrassow
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    19 Russischer Schauspieler, Regisseur und Pädagoge (1891–1955).
    20 Deutscher Titel »Wende an der Wolga«.

Über den Autor

    Viktor Nekrassow wurde 1911 in Kiew als Sohn eines Arztes geboren. Er besuchte eine Fachschule für Eisenbahnbau, studierte Architektur und arbeitete als Architekt, Schauspieler, Regisseur und Bühnenbildner. Im Zweiten Weltkrieg war er zuerst Führer eines Pionierzuges, später Regimentsingenieur und stellvertretender Kommandeur eines Pionierbataillons. Er nahm an der Schlacht bei Stalingrad teil, wurde 1944 verwundet und begann im Lazarett seinen Roman »Stalingrad« zu schreiben, der 1946 erschien (1956 unter dem Titel »Die Soldaten« verfilmt). Nekrassow wurde in den Schriftstellerverband aufgenommen; 1947 versuchte man ihn mit dem Stalinpreis zu kaufen. In den folgenden Jahren geriet er immer wieder ins Feuer der offiziellen Kritik. 1974 emigrierte er nach Frankreich. Viktor Nekrassow starb 1987 in Paris.
    Wichtige Werke: Stalingrad (Roman, 1946, dt. 1954); In der Heimatstadt (Roman, 1954, dt. Ein Mann kehrt zurück, 1955); Zu beiden Seiten des Ozeans (Reiseskizzen, dt. 1964); Kyra Georgijewna (Kurzroman, 1961, dt. 1962); Eine kleine traurige Geschichte (Kurzroman 1989, dt. Drei Musketiere aus Leningrad, 1993).

Über das Buch

    Die Schlacht um Stalingrad 1942/43 war eine der größten und entscheidendsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs. Stalin war entschlossen, den deutschen Vorstoß ins Kaukasusgebiet mit allen Mitteln zu verhindern und keine weiteren Gebietsverluste hinzunehmen. Je länger die Schlacht dauerte, desto mehr wurde sie für Hitler und Stalin zu einer Prestigefrage. Sie kostete allein auf deutscher Seite etwa 60 000 Soldaten das Leben.
    Viktor Nekrassow kämpfte als Offizier auf sowjetischer Seite, er schildert die Schlacht um

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