Stalingrad
wäßrigen Augen und semmelblondem Haar, lächelt verächtlich.
»Was heißt hier Entlausungskammer? Die Hälfte meiner Leute liegt mit soo einem Rücken. Nach der Impfung. Man hat ihnen fast ein Glas voll von irgendwelchem Zeug verpaßt. Nun stöhnen sie und ächzen …«
Sergijenko seufzt.
»Vielleicht eine Neuaufstellung?«
»Aha«, lächelt ironisch Goglidse von der Aufklärung. Vorgestern ist Sewastopol gefallen, und er denkt an eine Neuaufstellung. In Taschkent wartet man auf dich mit Ungeduld …«
Im Norden dröhnt es. Weit, weit am Horizont ziehen langsam deutsche Bomber ihre Bahn, immer nach Norden. Das abgehackte Brummen ihrer Motoren dringt bis hierher.
»Sie stoßen auf Waluiki vor, das Pack …« Samussew spuckt wütend aus. »Sechzehn Stück.«
»Man sagt, Waluiki sei schon gefallen«, teilt Goglidse mit. Er weiß immer alles.
»Wer ist dieser ›man‹?«
»Ich habe es gestern von den Achthundertzweiundfünfzigern gehört.«
»Ach, die wissen viel.«
»Viel oder wenig, aber man sagt es.«
Samussew seufzt und dreht sich auf den Rücken.
»Du, Aufklärer. Hast dir umsonst deinen Unterstand gebaut. Wirst ihn wohl den Fritzen zum Andenken lassen müssen.«
Goglidse lacht: »Ein sicheres Vorzeichen, wirklich. Sobald ich mir einen gebaut habe, heißt es weitermarschieren. Schon dreimal habe ich mir einen gebaut, und nicht ein einziges Mal ist es mir gelungen, darin zu übernachten.«
Aus dem Unterstand des Majors kriecht Maximow heraus. Mit festen Schritten, wie auf einer Parade, kommt er auf uns zu. An diesem Gang kann man ihn auf einen Kilometer Entfernung erkennen. Er ist sichtlich verstimmt. Er stellt fest, daß bei Igor die Feldbluse und eine Tasche nicht zugeknöpft sind. Bei Goglidse vermißt er ein Viereck am Kragenspiegel. Wie oft muß man daran erinnern! Er fragt, wer fehlt. Zwei Bataillonskommandeure und der Chef des Nachrichtendienstes sind abwesend; sie wurden schon gestern zum Divisionsstab befohlen.
Ohne noch etwas hinzuzufügen, setzt er sich auf den Rand des Grabens. Straff, beherrscht, wie gewöhnlich, zugeknöpft bis obenhin. Er saugt an einer Pfeife mit einem Mephistokopf. Uns blickt er nicht an.
Bei seiner Ankunft sind alle verstummt. Um nicht unbeschäftigt zu erscheinen (immer ist ein instinktives Bestreben zu bemerken, in der Gegenwart des Stabschefs geschäftig zu tun), wird in den Kartenhüllen und Taschen herumgewühlt.
Am Horizont zieht eine zweite Staffel deutscher Bomber dahin.
Die Bataillonskommandeure kommen: Kappel, der bejahrte, stämmige, einer edlen Bulldogge ähnliche »Batkom-2«, und der verwegene Kommandeur des ersten Bataillons, Schirjajew mit seinem goldenen Schopf, die Feldmütze verwegen auf die linke Augenbraue geschoben. Man nennt ihn bei uns im Regiment Kusjma Krjutschkow.
Beide grüßen: Kappel auf zivile Weise, mit halb gekrümmter Handfläche, Schirjajew nach schneidiger Frontsoldatenart, indem er die Faust an der Feldmütze erst bei den letzten Worten des Berichts öffnet.
Maximow steht auf, wir auch.
»Haben alle Karten bei sich?« Seine Stimme ist schneidend und unangenehm. Die Pfeife ist ausgegangen, aber er fährt automatisch fort, an ihr zu saugen. »Bitte, nehmen Sie sie heraus!«
Wir tun es. Maximow entfaltet ein abgegriffenes und zerknittertes Blatt. Eine fette rote Linie kriecht über die ganze Karte von links nach rechts, von West nach Ost.
»Notieren Sie sich die Marschroute.« Wir notieren. Die Strecke ist lang – ungefähr hundert Kilometer. Endpunkt: Nowo-Belenkaja. Dort müssen wir uns in sechzig Stunden sammeln, also in zweieinhalb Tagen.
Maximow klopft die Pfeife am Absatz aus, stochert mit einem kleinen Zweig in ihr herum und füllt sie aufs Neue.
»Ist die Lage klar?«
Niemand antwortet.
»Ich meine, es ist alles klar. Wir setzen uns pünktlich um dreiundzwanzig Uhr in Marsch. Der erste Marsch – sechsunddreißig Kilometer. Rasttag in Werchnaja Duwanka. Marschieren werden wir selbstverständlich mit Marschsicherung. Die Marschordnung werden Sie in zehn Minuten bei Korsakow erfahren. Er stellt sie gerade zusammen.«
Maximows Worte klingen wie gemeißelt. Deutlich ist jeder Laut artikuliert. Er würde kein schlechter Rundfunkansager sein.
»Das erste Bataillon bleibt an Ort und Stelle. Zur Deckung. Verstanden? Ich weise darauf hin, daß alles mit muß. Niemand darf zurückbleiben. Ein großer Marsch steht bevor. Überprüfen Sie das Schuhzeug, die Fußlappen …«
Er hält mit seinen schmalen, blassen,
Weitere Kostenlose Bücher