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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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eingeschlagen hat, haut so schnell keine zweite hin«, murmelte er.
    »Hat Rollo auch immer gesagt«, murmelte Fritz, steckte den Rest der Uniform in den Ofen und sah sich nach neuem Brennmaterial um. Er entdeckte zwei angebissene, halb verbrannte Lebkuchen und teilte sie mit den anderen. Bubi hatte kaum noch die Kraft zu kauen. Seine blauen Lippen färbten sich schwarz.
    Fritz trat mit dem Stiefel einen Sessel zusammen. »Rollo, das Arschloch«, sagte er beinahe liebevoll. »Jetzt verreckt er.«
    »Wir sind auch noch nicht draußen«, sagte Hans.
    Fritz nickte. »Vielleicht die beste Gelegenheit, um uns die Kratzer zu verpassen.« Er zeigte auf seinen rechten Arm. »Mein Heimatschuss – hier!«
    Hans zog die Pistole und wickelte sie in einen Lappen, damit der Knall nicht zu laut war.
    »Geh noch ein Stück zurück«, sagte Fritz, »sonst gibt’s Pulverspuren. Dann legen sie uns gleich um.«
    Hans trat bis an die Wand zurück, hob die Waffe, zielte, zögerte und setzte wieder ab.
    »Mach schon!«, stieß Fritz zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Triffst doch sonst immer so gut.«
    »Reicht nicht eine Erfrierung?«, flüsterte Bubi.
    »Da müssten sie ja die halbe Armee ausfliegen«, sagte Fritz.
    Bubi stand langsam auf. »Ich glaub, ich kann das nicht«, murmelte er. »Ich geh wieder zurück.«
    Fritz ging auf ihn zu, packte ihn, schüttelte ihn. »Das hättest dir früher überlegen sollen. Jetzt bist du dabei, also mach bloß keinen Fehler!«
    Bubi hing hilflos zwischen seinen Fäusten. »Herr Leutnant«, stammelte er, »Sie müssen entscheiden. Sie müssen endlich entscheiden!«
    »Fritz hat recht. Wir können nicht mehr zurück.«
    Bubi schloss die Augen und sein Kopf pendelte wie in Trance hin und her.
    Hans nahm ihm die Gesichtsmas ke ab. »Wir sind auf der richtigen Seite«, sagte er eindringlich. »Wenn wir weiterkämpfen, verlängern wir nicht nur sinnlos unser Leiden, sondern auch die …«
    »Hör auf!«, unterbrach ihn Fritz grob. »Ich kann dieses Gequatsche nicht mehr hören.« Er ließ den Kleinen los und warf das zerbrochene Sesselgerippe in die Flammen. »Ich will durchkommen, weiter nix!«
    »Wenn wir durchkommen wollen, sollten wir bedenken, wie hilflos wir in verwundetem Zustand sind«, sagte Hans. »Noch sitzen wir in keinem Flugzeug.«
    »Wenn sich die Wunde entzündet, müssen sie einem den Arm abnehmen«, sagte Bubi. »Da bin ich lieber tot!«, schrie er plötzlich und stürzte zum Ausgang.
    »Bleib hier!«, brüllte Fritz. Wü rde er einem Offizier oder Feldgendarm in die Arme laufen, waren sie alle geliefert.
    Fritz zog seine Pistole und schoss. Die zweite Kugel durchschlug Bubis Oberschenkel und brachte ihn zu Fall.
    Hans riss Fritz’ Arm nach unten. »Bist du verrückt?«
    Fritz starrte ihn feindselig an. »Sieh nach, ob jemand kommt. Ich mach das hier.« Er beugte sich zu Bubi hinunter, fuhr ihm durchs Haar. »Siehst du, Kleiner. Du hast es hinter dir. War doch gar nicht so schlimm, oder?«
    »Geh weg, hau ab«, stöhnte Bubi.
    Fritz achtete nicht darauf, sondern schleppte ihn zurück und platzierte ihn neben dem Ofen. Dann trennte er mit dem Messer das Hosenbein auf und betrachtete zufrieden die blutende Wunde.
    »Glatter Durchschuss.« Er durchsuchte die Toten, bis er ein Verbandspäckchen fand, das er auf die Wunde presste. »Hätt der Leutnant nicht besser machen können.« Er brauchte noch zwei weitere Verbandspäckchen, bis das Blut nicht mehr durchsickerte.
    Bubi starrte mit glasigen Augen auf den Verband. Dann fiel sein Kopf erschöpft zur Seite.
    Hans kam zurück. Wenigstens schien durch die Schüsse niemand auf sie aufmerksam geworden zu sein. Draußen war die Nacht einem milchigen Morgen gewichen. Der Fahrzeugverkehr Richtung Stalingrad-Stadt wurde stärker, wie an den Geräuschen zu hören war. Dichter Nebel schützte die Kolonnen gegen Luftangriffe, aber derselbe Nebel würde auch die Landung der eigenen Flugzeuge verhindern.
    Gemeinsam hievten sie Bubi auf eine verbrannte Pritsche. Wie leicht er war! Sie deckten ihn mit einigen Mantelresten zu.
    »Das war dumm von dir. Jetzt müssen wir ihn auch noch tragen«, sagte Hans.
    »Ich trag ihn schon«, erwiderte Fritz mürrisch. »Kann ja nicht mehr weit sein.«
    »Weit genug. Wenn wir uns auch noch verletzen, können wir uns die Kugeln auch gleich in den Kopf jagen.«
    »Lass gut sein«, brummte Fritz. »Wir beschmieren die Verbände mit Blut, das langt.« Er zog sein Messer, kniete neben eine Leiche und öffnete

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