Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben
Sorg en mehr um Weiber, ihr könnt sowieso gleich Engel ficken«, sagte eine Stimme hinter ihnen.
Langsam drehten sie sich um.
Oberstleutnant Laske, ehem aliger Regimentskommandeur, Kommandierender des Erschießungskommandos, war zu seinem Leidwesen in letzter Minuten nicht zum Flugplatz, sondern zum Frontdienst befohlen worden. Gerade noch rechtzeitig hatte er sich von seiner Kampfgruppe entfernen können und befand sich nun in Gesellschaft weniger Getreuer auf dem Weg in die vorerst rettende Ruinenstadt. Warum sollte der Chef auch verrecken, solange es dafür noch Untergebene gab?
Einer der wenigen Untergebenen, die seinen Führungsqualitäten noch nicht zum Opfer gefallen waren, war Oberleutnant Haller. Er war ebenso verbittert wie Laske über die Willkür der Vorgesetzten, die ihn mit seinem Ordnungskommando ins Feuer geschickt hatten, als wäre er ein gemeiner Landser. So war er Oberstleutnant Laske gefolgt. Er bewunderte Laske dafür, dass er selbst in schwierigsten Situationen für unbedingte Einhaltung der Dienstvorschriften und für die Befolgung des Militärstrafgesetzbuches sorgte. Das galt auch und vor allem für den kürzlich herausgegebenen Armeebefehl, Plünderer umgehend zu erschießen.
»Waffen weg!«, brüllte Haller. »Aufstehen!«
Rollo und Fritz legten ihre MPis auf den Boden. Langsam erhoben sie sich. Rollo steckte hilflos eine Konservenbüchse unter seine Uniform.
Jetzt ist es also endgültig aus, dachte Fritz. Er wunderte sich, wie gleichgültig ihm das war. Hastig stopfte er weitere Schokolade in sich hinein. Wenigstens sterbe ich schnell und satt, dachte er.
Auch Hans hatte keine Angst. Er fühlte auch keine Wut, nicht einmal Hass oder Verachtung, gar nichts. Nach dem Trommelfeuer, das er eben überlebt hatte, schien es ihm allerdings schlicht und einfach unmöglich, dass er nun das Opfer dieser beiden Schießbudenfiguren werden sollte.
»Wie sieht’s draußen aus, Haller?«, fragte Laske. »Können wir’s an der frischen Luft machen, ode r müssen wir’s hier drin erledigen?«
Haller warf einen Blick nach draußen. »Feuer hat nachgelassen, Herr Oberstleutnant. Russischer Angriff dürfte kurz bevorstehen.«
Laske nickte. »Lange brauchen wir ja nicht.«
Erst jetzt erkannte Haller die drei. Er dachte kurz an den toten Slesina, der seine Spielschulden nie mehr würde zurückzahlen können, und leckte sich aufgeregt über die Lippen. »Herr Oberstleutnant, das sind die Mörderschweine, von denen ich Ihnen erzählt habe.«
»Na, umso besser«, meinte Laske gelangweilt, der so schnell wie möglich aus dem russischen Angriffsbereich heraus wollte. »Fangen wir an.«
Er hatte die drei noch immer nicht wiedererkannt, denn er pflegte nur Leute wiederzuerkennen, die wichtig für ihn waren.
Haller kämpfte sichtlich mit sich. Er hätte nichts lieber getan, als die drei Schweine totprügeln zu lassen, denn für jeden von denen war eine Kugel zu schade. Aber er wusste, dass einer von ihnen ein Leutnant war, und so schwer ihm das fiel, er wollte sich auch jetzt nicht zu einer offensichtlichen Gesetzlosigkeit hinreißen lassen.
Er zeigte auf Hans. »Der da ist Offizier, ein Leutnant.«
»Na und?«
»Offiziere müssen vors Standgericht, Herr Oberstleutnant.«
Laske verzog den Mund. »D as Standgericht bin ich. Mitkommen!«
Rollo holte seine Konservendo se wieder unter dem Mantel vor.
»Deswegen braucht ihr uns doch nicht gleich abzuknallen! Wir haben die Sachen nur aus dem Feuer gerettet.« Hilflos hetzten seine Blicke von einem zum andern. »Ohne uns wär alles am Arsch gewesen!« Unbeherrscht riss er Fritz die Schokolade aus der Hand. »Hör endlich auf zu fressen, Idiot!«
»Wieso? D ie Schweine knallen uns eh ab.«
»Hände hoch!«, brüllte Haller. »Mitkom…«
Hans hechtete aus einer der Fensterhöhlen. Laske riss die Pistole herum, feuerte, hörte einen Schrei. Mit einem Wink schickte er Haller nach draußen.
Der blinzelte nervös, traute sich n icht, den Befehl einfach weiterzugeben, und ging mit kleinen Schritten ins Freie.
Hans lag reglos auf dem Bauch im Schnee. Haller richtete den Lauf seiner MPi auf ihn.
»Was ist denn?«, fragte Laskes Stimme nervös. »Ist er erledigt?«
Haller nickte. Dann fiel ihm ein, dass man ihn von drinnen nicht sehen konnte, und er rief: »Jawohl, Herr Oberstleutnant.«
Vorsichtig ging er auf Hans zu. Der Schnee unter dem reglos Daliegenden war blutig. Erleichtert atmete Haller auf, bleckte die langen Schneidezähne. Die
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