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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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nachts?«
    »Harem, scheißegal.« Rollo zerrte Bubi an seine andere Seite. »Das Kamel«, erklärte er ihm, »das hat so ’n komischen Schritt.« Er ließ sich wieder auf den Boden fallen und durchquerte auf allen vieren im Passgang den Raum. »Da interessiert dich keine Frau mehr«, verkündete er, »da wirst du ganz ruhig, hast nur noch Sterne im Kopf.«
    »Nirgends kannst du so gut Skat klopfen wie auf’m Kamel«, vervollständigte Fritz ihre Erfahrungen. »Weißt du noch?«
    Rollo wusste noch alles. Schluchzend hob e r die Schnapsflasche.
    »Achtzehn, zwanzig, Mensch, Lupo …« Er stellte fest, dass Wölk und Pflüger ebenfalls heulten. »Was flennt ihr denn, ihr Arschlöcher? Ihr habt ihn doch überhaupt nicht gekannt! Das ist unser Lupo!«
    Wölk stand schwankend auf, in seinem Gesicht zuckte es, er ballte die Hände zu Fäusten: »Ich flenn über’n Axel und Heinz, du Idiot! Oder darf ich das nicht? Ich flenn über das, was ich will!«
    Rollo zog sich an Fritz vom Boden hoch, winkte in allgemeiner Richtung nach draußen. »Antreten zum großen Gedächtnisscheißen für alle toten Kameraden!«
    Die betrunkenen Soldaten t orkelten und krochen ins Freie.
    Gross trat hinter den Leutnant, der zunächst fassungslos und dann mit amüsierter Anteilnahme den Ausbruch seiner Leute verfolgt hatte. Was steckte nicht alles hinter diesen dumpfen Fassaden!
    Gross bot ihm seine Flasche an. »Kommen Sie, Herr Leutnant. Oder haben Sie niemand, auf den Sie scheißen können?«
    Sie folgten den anderen ins Freie. Hans nahm einen großen Schluck. Es brannte im Magen. Warum nicht?, dachte er. Warum, zum Teufel, eigentlich nicht?

 
     
     
     
     
     
    29
     
     
    D ie Latrine lag in einer Senke hinter dem Unterstand. Die acht Soldaten stolperten auf den Donnerbalken zu und ließen sich darauf nieder. Wölk zählte die Plätze.
    »Verdammt, nur sieben.«
    Rollo schwenkte mit heruntergelassenen Hosen die Flasche.
    »Platz genug. Hock dich hin! Auf die Toten!«
    Er begann ein altes Lied aus der Kampfzeit zu singen. Wölk und Pflüger fielen begeistert ein. Fritz verfremdete den Text etwas:
    »Braune Kolonnen ziehen durch die Nacht, braune Kolonnen fallen in den Schacht!«
    Das ferne Wummern der Artillerie störte längst niemand mehr. Nur Gross achtete darauf. Auf einmal ein gefährliches Rauschen.
    »Achtung! Volle Deckung!«
    Der Krieg hatte sie gut abgerichtet. Mit einer Geschwindigkeit, die ihnen in ihrem Zustand keiner mehr zugetraut hätte, warfen sie sich mit nackten Ärschen hinter die nächste Bodenwelle.
    Nur das Geburtstagskind war zu langsam. Wie gelähmt starrte Bubi mit heruntergelassenen Hosen auf den Einschlag hinter der Senke. Ein scharfkantiger Granatsplitter zischte zwischen seinen Beinen in die Böschung hinter ihm. Die anderen hoben vorsichtig die Köpfe aus der Deckung und glotzten ihn fassungslos an.
    Gross fand als Erster die Sp rache wieder. »Wenn das kein Geburtstag ist!«
    Rollo hopste heran und untersuchte Bubis Genitalien. »Noch alles dran, Kleiner?«
    Bubi brauchte einen Moment, um zu begreifen, was geschehen war. Er war tatsächlich unverletzt. Er stieß Rollo beiseite und verschwand stolpernd und schreiend im Unterstand. Seine Hosen verlor er unterwegs. Plötzlich brach sein Geschrei ab, es wurde merkwürdig still.
    »Was is’n jetzt passiert?«, fragte Rollo, zog die Hose hoch und ging Bubi nach. Die anderen folgten.

 
     
     
     
     
     
    30
     
     
    I m Unterstand saß Hauptmann Musk. Bubi stand mit hochrotem Kopf, eine Decke um die Hüften, vor ihm. Rollo reichte ihm seine Hose. Der Hauptmann empfahl ihm, sich umgehend anzuziehen, und gratulierte ihm – nachdem ihn der Leutnant über die Zusammenhänge aufgeklärt hatte –, ohne eine Miene zu verziehen. Dann erhob er sich ruckartig von seinem Stuhl.
    Bisschen kindisch, die Männer. Man vergaß immer wieder, dass die meisten nicht älter als Anfang zwanzig waren.
    »Ab sofort heißt ihr ›Kampfgruppe von Wetzland‹. Ihr bekommt zwanzig Mann Ersatz. Morgen früh Punkt vier gefechtsbereit antreten.« Er beschloss, ihnen noch ein wenig Mut zu machen. »Auch der Russe ist am Ende, und er hat durch das Treibeis auf der Wolga ernste Nachschubprobleme. Wenn wir diese Stadt jemals vollständig in den Griff bekommen, dann jetzt. In diesem Sinne, viel Glück. Leutnant von Wetzland, in zwanzig Minuten ist Lagebesprechung.« Er ging.
    Für einen Moment herrschte lähmende Stille. Dann schlug Rollo beide Fäuste auf seine Pritsche.
    »Scheiße,

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