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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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hatten sie den Gesang gehört.
    Rollo stellte sein MG laut auf den Boden. »’n Bet-Silo! Ich glaub, ich spinne.«
    Einige der jungen Soldaten, die einen Choral sangen, drehten sich empört um. Ein ernstes Gesicht presste entrüstet den Zeigefinger an die Lippen. »Psss …«
    Rollo drehte ihm den Kopf wieder nach vorn. »Komm, schau gradeaus, sonst verrutscht dir der Heiligenschein.«
    »Klarer Fall von Russenfutter«, sagte Fritz.
    Er entdeckte General Hentz unter den Kirchgängern und verstummte. Eine schwere Granate rauschte über das Gebäude.
    Divisionspfarrer Renner, Ende vierzig, von kleiner, knochiger Statur, mit tief liegenden, brennenden Augen, begann zu predigen. Seine eckigen, meist rechtwinkligen Handbewegungen und das himmelwärts gerichtete Kinn erinnerten an den Reichspropagandaminister. »›Gott mit uns‹ steht auf der Gürtelschnalle des deutschen Soldaten …«
    »Oh, was für ’ne Sündenabwehrkanone«, stöhnte Rollo.
    Der Zeigefinger des Pfarrers stach in ihre Richtung. »… und deswegen ist der deutsche Soldat im Gegensatz zum Bolschewik, auf dessen Gürtelschnalle für Gott kein Platz ist, nie allein, auch wenn er noch so tief in Feindesland steht!«
    »Können wir nicht endlich Abendmahl machen?«, flüsterte Rollo.
    »Gute Idee.« Fritz fingerte eine der Würste aus seinem Brotbeutel, die er einem der Feldjäger mit leeren Versprechungen auf sexuelle Erfüllung abgeluchst hatte.
    Rollos Augen weiteten sich. »Mensch …«
    Fritz biss von der Wurst ab. »Alles für mein Organisationstalent. Die Kettenhunde haben ein Fressen, da träumt unsereiner sogar im Frieden davon.«
    Einer der Betbrüder sah sich wieder um. Diesmal war es Bubi, der dem Burschen das Gesicht wieder nach vorn drehte. Zum Lohn erhielt auch er ein Stück Lyoner.
    Rollo wies auf den gebeugten Nacken des Betbruders. »Wetten, dass er den ersten Angriff nicht überlebt? Um drei Scho-Ka-Kola und fünf Zigarren?«
    Fritz sah i hn verblüfft an. »Quatsch mit Honig.«
    »Ich setz mein Taschenmesser.«
    Fritz zögerte. »Das mit den zwei Klingen?«
    Rollo nickte und streckte ihm die Hand hin.
    Fritz schlug ein. »Abgemacht.«
    »… und deshalb sage ich euch«, hallte die Stimme des Pfarrers unter der Kuppel, deren direkte Verbundenheit zum Himmel offenkundig wurde durch einige schüchterne Morgenstrahlen, die ihren Weg durch die unzähligen Einschusslöcher fanden, »es kann gar keine Frage sein, dass Gott auf unserer Seite steht. Auf der Seite unseres geliebten Führers Adolf …«
    Eine diabolische Granate verirrte sich hinter die Ruine, Schutt rieselte von der Decke, Renner und einige junge Soldaten, darunter der Betbruder, warfen sich zu Boden.
    General Hentz stoppte das Gelächter der anderen mit einer Handbewegung. »Männer, den Führer und den lieben Gott lassen wir jetzt mal weg!« Er machte eine kurze Pause, bis Ruhe einkehrte. »Kein leichter Tag heute. Wir müssen die Russen endgültig aus dieser Stadt werfen, und jeder, der an der Front war, weiß, wie hart und zäh sie kämpfen.« Er machte eine kleine Pause, dann donnerte er in den Haufen: »Der Russe ist gut, aber wir sind besser! Wenn wir unser Tagesziel erreicht haben, gibt es für das gesamte Bataillon doppelten Verpflegungssatz und Heimaturlaub!«
    Für einen Moment war es ganz still, dann brach Jubel aus, in den auch Fritz und der Leutnant einfielen. Nur Gross blieb stumm.
    »Wenn ich euch vor mir sehe«, fuhr der General fort, »dann weiß ich, dass ihr es selbst mit einer zehnfachen Übermacht aufnehmen würdet, wie ihr das schon oft bewiesen habt. Und ich sage euch, wir werden heute Abend alle gemeinsam in die Wolga spucken!«
    Erneutes Jubelgeschrei. Auch der Leutnant hatte alle Skepsis verloren und ließ sich von der allgemeinen Euphorie überwältigen. Plötzlich glaubte er trotz aller Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten wieder an den Sieg, mehr als jemals zuvor.
     
    »Kampfgruppe von Wetzland hierher!«
    Von einer Liste las der Leutnant die Namen der Neuen ab. Fritz stellte fest, dass über die Hälfte des Zuges – denn mehr als diesen Zug umfasste die Kampfgruppe nicht – aus Neulingen bestand.
    Kanonenfutter.
    »Dreimal Müller«, stellte Wölk zutreffend fest.
    »Da wird’s Zeit, dass wir angreifen«, bemerkte Fritz trocken.
    »Ich heiße auch Müller«, sagte Bubi.
    »Kann sein«, sagte Fritz und hieb Bubi liebevoll auf die Schulter. »Ab heute bist du mein Gemeingefährlicher, kurz GeGe.«
    Fritz suchte mit den Augen nach dem

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