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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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Betbruder. »Wie heißt ’n unsere Wette? Ich meine, der von vorhin?«
    »Auf jeden Fall Müller«, sagte Rollo.
    Fritz entdeckte den Gesuchten und winkte ihn zu sich. Rollo erhöhte die Wette um zwei Schachteln R6. Fritz war einverstanden. Dann befahl er dem Neuen, sich immer schön hinter ihm zu halten. Dieser nickte, dankbar über so viel Fürsorge. Rollo protestierte.
    Der Leutnant unterbrach ihn mit einem Befehl, den Fritz vorausgesehen hatte: »Jeder Neuzugang geht zu einem Altgedienten und leistet dessen Anweisungen widerspruchslos Folge!«
    Fritz grinste Rollo freundlich zu und setzte sich mit seinem neuen Schützling in Bewegung.
    Rollo schüttelte den Kopf. »Du bist vielleicht ’ne linke Sau. Hoffentlich erwischt’s euch beide.«
    Er dachte kurz darüber nach, wer dann die Wettschulden bezahlen sollte, und spann den Gedanken nicht weiter.
    Der Lärm des Artilleriefeuers schwoll an. Wie ein mit rauchenden Schloten übersätes Vulkangebiet lag das Industrieviertel vor ihnen. Die Neuen wurden blass unter der ersten Rußschicht, die sich auf ihre Gesichter legte. Fritz fühlte sich merkwürdig leicht. Sein Begleiter begann wieder zu beten, und für einen Moment hoffte Fritz, dass, wenn es irgendwo eine unsichtbare schützende Hand gab, sie auch über ihn gehalten wurde.
    Der Leutnant schritt neben seinem Haufen her, den die ersten dichteren Rauchschwaden umwe hten. Das berstende Krachen krepierender Minen, die in steiler Flugbahn über sie gezogen waren, ließ ihn unwillkürlich den Kopf einziehen.
    »Ausbildung unter verschärften B edingungen«, sagte er zu Gross.
    Der nickte, warf einen kurzen Blick auf die Neuen. »Hängen Sie nur Ihr Herz an keinen, Herr Leutnant.«
    Hans bemerkte zum ersten Mal, was für kleine Hände Gross hatte. Er winkte die Soldaten in einen Laufgraben, der im Zickzack zwischen den Ruinen entlangfüh rte und nach einigen hundert Metern in einen quer ausgehobenen Sturmgraben mündete.

 
     
     
     
     
     
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    S ie waren nicht zum ersten Mal hier. Geschützfabrik Barrikady. Der Platz zwischen den u-förmigen Ruinen hatte sich kaum verändert. Nur der Sturmgraben war neu. Er durchschnitt wie ein Sägeblatt die von Trümmern übersäte Fläche zwischen den Ruinen.
    Die Aufgabenstellung war klar. Der Leutnant verfügte über die meisten erfahrenen Männer und hatte den längsten Weg bis zum Büroblock am anderen Ende des Platzes. Alles wie gehabt. Nur die Stationen des Grauens hatten sich geringfügig verändert. Da war ein neues, von einem Volltreffer senkrecht in den Boden gerammtes Panzerwrack, das für die ersten Meter Deckung bot, dem man aber nicht zu nahe kommen durfte, wei l es einen hervorragenden Orientierungspunkt für feindliche Artilleriebeobachter abgab.
    Davor hatte es Edgar erwischt. Dessen Überreste waren längst in Dreck und Stein getreten, verschwunden, ausgelöscht, bestenfalls in einem Massengrab verscharrt.
    Den kleinen Springbrunnen, dessen Einfassung ihm einmal als Deckung gedient hatte, suchte der Leutnant vergebens; dort gab es nur noch Trichter, alte und neue Leichen und Leichenteile.
    Die eigene Artillerie verstummte mit einem Schlag. Für die gegnerische Artillerie war dies das Signal, selbst tätig zu werden.
    Der Angriff sollte in drei Hauptstoßrichtungen erfolgen. Obwohl der Leutnant nach wie vor glaubte, dass sein Angriffsplan der bessere gewesen wäre, war er diesmal ganz ruhig und entschlossen, sich seine Kaltblütigkeit durch nichts nehmen zu lassen.
    Heftiger Regen hatte eingesetzt. Die Grabensohle verwandelte sich unter dem gegnerischen Artilleriefeuer in ein unregelmäßig schlingerndes, nasses Schiffsdeck. Regen, Windböen und feindliches Feuer fegten über ihre Köpfe. Hoffentlich klappte es mi t der Luftunterstützung! Die Männer standen bereits bis über die Knöchel im Wasser, und es stieg rasch weiter. Nasse Erdbrocken rutschten von den Wällen in den Graben, legten aufgedunsene Körper frei. Die Opfer für diese schnell gezogene Stellung mussten gewaltig gewesen sein.
    Ein Grabentreffer weiter rechts kühlte die Stimmung noch mehr ab. Warum ging es nicht endlich los, fragten die einen. Den anderen war anzusehen, dass sie am liebsten ohne Unterbrechung zurück in die Heimat gelaufen wären. Vier von den Neuen hatten noch keinen Paten gefunden. Der Leutnant wies – nicht ohne Absicht – ausgerechnet Bubi einen vierschrötigen Burschen mit gebrochener Nase zu. Der Neue war allerdings im Moment alles andere als gefährlich. Er

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