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Stalins Kühe

Stalins Kühe

Titel: Stalins Kühe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofi Oksanen
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einziges Mal tat. Ich hatte mich gut auf das Kommende eingestellt. Ich hatte Diapam-Tabletten, Tenox, Alprox, Temesta und Imovan in Hülle und Fülle, genügend Zigaretten, viele Plastiktüten voll sicherem Essen, zehn Gurken, fünf Kilo Tomaten, fünf Kilo Äpfel und genauso viel Blumenkohl. Beinahe hätte ich aus alter Gewohnheit auch Joghurt gekauft, aber dann erinnerte ich mich, dass das schon seit Monaten kein sicheres Essen mehr war, egal wie fettfrei. Ich hatte vor, abwechselnd Sauerkraut- und Tomatensuppe zu kochen.
    Ich hielt es aus bis zum nächsten Streit. Eigentlich war es kein richtiger Streit. Hukka merkte nur an, dass ich bald keine Frau mehr sein würde, weil ich meine Hüften hatte abschmelzen lassen. Hukka behauptete, ich tue das absichtlich, damit Hukka mich nicht mehr begehrte, das war ja offensichtlich meine Hoffnung! Denn dann brauchte ich mir keine Sorgen mehr um Hukkas Begehren zu machen, und ich brauchte mir keinen solchen Rausch mehr anzutrinken, dass ich auf dem Sofa wegsackte. Ich brauchte mir dann nicht mehr viel Mühe zu geben, um mir allerlei Mittel und Wege zu überlegen, wie ich mich Hukka entziehen konnte, obwohl ich nichts weiter zu tun brauchte als zu sagen, ich möchte nicht.
    Hukka verstand mein Bemühen nicht.
    Aber so war es nicht, ich entzog mich nicht. Allerdings wollte ich mich auch nicht verweigern und Hukkas Hände wegstoßen, denn das war immer ein wenig unangenehm. Es war so blöd, mittendrin zu sagen, hör sofort auf. Es konnte ja so sein, dass ich anfangs wollte, aber später nicht mehr. Und dann konnte ich unmöglich sagen, nimm deine Hände sofort weg, unmöglich Hukkas Kopf oder Beine wegstoßen, die zwischen meinen Schenkeln lagen. Hukka würde dann nichts mehr mitkriegen und nicht aufhören, wenn ich nicht eine entsprechende Szene machte. Das Problem war nicht, dass ich mittendrin abbrechen wollte. Ich hatte einfach keine Lust mehr. Warum war das so schwer zu verstehen?
    Hukka behauptete, ich brauche immer zwölfeinhalb Minuten, bis ich kam. Bis ich angeblich kam.
    Dass Hukka danach die Freude darüber vortäuschen müsse, mich glücklich gemacht zu haben. Welche Ehre! Warum ich Hukka zum Narren halten wolle? Das sei unbegreiflich!
    Zwölfeinhalb Minuten. Hatte Hukka in dieser Situation nichts Besseres zu tun, als die Zeit zu stoppen?
    Aber als ich das ansprach, behauptete Hukka, das nur so dahingesagt zu haben, einfach so, nicht im Ernst. Woher sollte ich wissen, ob Hukka die Wahrheit sagte?
    Hukka war auch nicht mit den Geräuschen zufrieden, die ich von mir gab. Mein Körper verursachte Hukkas Ohren sowohl im Bett als auch außerhalb des Bettes Schmerz. Ichaß zu geräuschvoll, selbst wenn auf meinem Teller nur Gemüsebrühe war, ich schlürfte laut, weil es mir wichtig war, die Geräusche meines Essens zu hören. Eine perfekte Mahlzeit bedeutete für mich, dass ich auch mit den Ohren aß und nicht nur sah, wie das Essen verschwand, und spürte, wie es mir die Kehle hinabglitt.
    Ich kann noch verstehen, dass mein Schmatzen aufreizend war und nicht fein klang, aber ich wusste nicht, warum es an den Geräuschen, die ich im Bett von mir gab, etwas auszusetzen gab. Sie waren einfach nicht gut genug, und ich wusste nicht, warum, da ich nicht wusste, warum ich mich nicht so anhören durfte, wie ich mich anhörte. Oder vielleicht argwöhnte Hukka einfach, dass das etwas war, was ich heimlich geübt hatte und dann in Hukkas Gesellschaft inszenierte, aber so war es nicht.
    Einmal machte Hukka mir vor, wie ich mich anhören sollte. Hukka hörte sich gut an, das will ich nicht leugnen, aber solche Geräusche gehen im Bett nicht von mir aus. Was kann ich dafür? Was, wenn ich nun angefangen hätte, mich nach Hukkas Vorbild zu verstellen? Wäre eine solche Schauspielerei das Richtige gewesen? Wäre das nach Hukkas Geschmack und uns beiden recht gewesen?
    Gerade in dem Moment, als ich mich selbst fragte, was ich wollte … Gerade, als ich es wagte, mir solche Fragen anzuhören. Gerade, als ich nicht sofort davonpreschte, wenn mir solche Fragen gestellt wurden. Gerade, als ich angefangen hatte zu denken, dass ich es vielleicht irgendwann wagen würde zu antworten und das auch gelang. Genau in dem Moment verlangte Hukka etwas von mir, was nach meinem Empfinden Verstellung gewesen wäre, nach Hukkas jedoch etwas Echtes, Wahrhaftiges.
    Dennoch versuchte ich es.
    Ich biss dich die ganze Nacht.
    Der Schweiß lief an mir herab.
    Das ist es doch, was du wolltest. Wieso beklagst du

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