Stalins Kühe
hätten geäußert, dass ich entweder lüge oder mir nichts aus Hukka mache. Sonst würde ich nicht so sprechen. Aber war Hukka gezwungen, so wie ich zu fasten und zu erbrechen, weil ich nicht essen kann? Nein. Verhält es sich dann mit dem Bumsen nicht genauso? Wenn ich es nicht kann, bedeutet das, dass auch Hukka darauf verzichten oder es nicht können muss?
Ich meinte es ernst. Damit, dass Hukka schlafen könne, mit wem auch immer. Das würde mir nichts ausmachen. So macht man es doch in allen Beziehungen, früher oder später. Sinnlos, etwas anderes zu behaupten.
Das ist ganz normal, tröstete ich Hukka. Was könne an bloßem Bumsen verletzend sein? Die Menschen essen doch auch in Gesellschaft anderer und nicht nur mit ihren Angehörigen, benutzen öffentliche Toiletten – warum sollte das etwas anderes sein?
Ich verstand nicht, warum Hukka weinte. Hukka hatte doch nichts verloren, und ich hatte nichts Kränkendes gesagt. Den anderen, die etwas anderes behaupteten, durfte Hukka keinen Glauben schenken. Ich meinte es ernst, alsich dich aufforderte, dich anderen zuzuwenden, und dennoch bringst du, Hukka, mein Blut in Wallung.
Warum weinte Hukka?
Und mir kam gar nicht in den Sinn, dass Hukka mir dasselbe vorgeschlagen hatte, und wie absurd mir das erschienen war.
MEINES
WISSENS
GASTIERTE Hukka nicht in fremden Armen, aber als Nächstes wollte Hukka alles über meine früheren Beziehungen wissen. Alles, was ich vor der Bekanntschaft mit Hukka mit anderen im Bett getan hatte. Ob ich irgendeinen Verflossenen zurückhaben wollte. Wie sie sich angehört hatten. Ob jemand von ihnen noch schweigsamer gewesen war als ich, und als ich das bejahte, glaubte Hukka das nicht, weil es niemanden geben konnte, der schweigsamer war als ich. Wenn ich irgendwann einmal von jemandem gesagt hatte, der hatte aber unbeholfene Hände, wollte Hukka immer wieder hören, auf welche Weise diese Person sich russisch benommen und alles vermasselt hatte, und ich konnte nicht einmal sagen, dass ich den Ausdruck sich russisch benehmen nicht mochte.
Ich fand, dass es über meine Verflossenen nichts zu reden gab.
Aber da wir im Bett nichts anderes taten als schlafen, hatte Hukka das Recht, wenigstens sprechen zu dürfen. Da ich nicht bereit war, mehr zu erzählen, fragte Hukka, ob mein Schweigen etwas sei, was ich nur in Hukkas Gesellschaft pflegte.
Nein, antwortete ich.
Lüg nicht. Denn es gibt ja bei dir auch andere Dinge, die nur für mich reserviert sind, wie die Tatsache, dass du mich nicht berührst. Warum sollte es da mit dem Schweigen anders sein? Wenn du mit anderen auf jede erdenkliche Weise zusammen sein konntest, warum dann nicht mit mir? Wieist es möglich, dass deine Hände mühelos unter das Hemd eines Fremden gleiten, dass du also andere berühren, deine Zunge in andere Münder schieben und anderen zwischen die Beine fassen kannst, aber nicht mir?
ZUR
SELBEN
ZEIT wie meine One-Night-Stands begann ich fast unmerklich, Telefonate mit Hukka zu vermeiden. Zumindest dann, wenn ich kurz vor einer Essorgie stand oder damit schon begonnen hatte, konnte ich mich nicht mehr am Telefon melden, und das war kein Ausweichen – Hukka hörte es meiner Stimme an, ob ich mit dem Essen geflirtet hatte, nämlich daran, wie heiser und trunken meine Stimme war und wie oft ich hustete.
Aber ich antwortete auf Hukkas Anruf auch dann nicht mehr, wenn ich gerade einkaufte, denn das Gespräch hätte das Gelingen meiner Essriten gefährden können, das Essen hätte mir vielleicht keinen so großen Genuss bereitet, das Gespräch hätte all die Düfte gestört, die mir aus der Backwarenabteilung entgegenwallten, es hätte gestört, weil es mich daran erinnerte, dass genau die Stimme, die aus dem Hörer kam, mir Fragen stellte. Und daran, dass niemand sonst mir Fragen gestellt hätte. Niemandem sonst wäre es in den Sinn gekommen zu fragen, was ich wollte. Der Gedanke daran ließ mich in Tränen ausbrechen, aber da ich lieber esse als weine, ging ich einkaufen.
Vor Hukkas beängstigenden Fragen flüchtete ich in die Backwarenabteilung, wo die Knusprigkeit der Baguettebrote in der Luft lag und die Süße der Kartoffelbrotlaibe, die grobschrötigen Brötchen und die Sesamkörner sich direkt neben mir, um mich herum befanden und ich sie mit Händen greifen, betasten, abwiegen, auswählen und mitnehmen konnte. Brot war zwar kein sicheres Lebensmittel,aber eine Sicherheit, die ich leidenschaftlich annahm und von der ich mich leicht hinreißen ließ. Wenn
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