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Stalins Kühe

Stalins Kühe

Titel: Stalins Kühe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofi Oksanen
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Stimme meinte, sie sollten sich treffen. Zumal da ihre Männer oft abwesend seien, ihr Mann sei Bestattungsunternehmer mit einem eigenen Geschäft, dort verbringe er all seine Zeit, und da Katariinas Mann in Moskau sei, in der Botschaft, habe Katariina doch viel Zeit.
    Woher weißt du das? Wer hat dir erzählt, wo mein Mann arbeitet?
    Die Polizisten haben es mir erzählt, als ich sie fragte, ob es hier Frauen aus Estland gebe.
    So?

    Katariina legte die Hände auf den Bauch, dort war es, das Kleine.
    Vor dem Schlafengehen brachte sie an der Tür eine Schnur mit Bimmelglöckchen an, die würden sie wecken, falls jemand zur Tür hereinkäme.
    Wenn doch der Mann schon aus Moskau zurückkehrte, dann wäre für eine Weile alles wieder gut.
    Als die Frau mit der warmdunklen Stimme wieder anrief, knallte Katariina den Hörer auf die Gabel. Das machte sie jedes Mal, bis die Frau nicht mehr anrief.

1988
    Vati ist auf Urlaub zu Hause und hupt schon auf dem Hof, als Anna aus der Schule kommt. Mutter bringt Annas Rucksack ins Haus, und beide steigen ins Auto. Zuerst fahren sie zum Citymarket. Vati manövriert angespannt und bremst unerwartet – er hat schon Reisefieber. Übermorgen muss er nach Moskau zurück. Die Putzfrauen, die dort die Wäsche der Bauarbeiter waschen, stehlen so viel, dass er nach jedem Urlaub eine neue Grundausstattung mitnehmen muss. Vati hat gern Weiß und möchte weiße Hemden und Hosen, Unterhosen und Strümpfe haben, obwohl die sowieso sehr schnell grau werden. Zwar nimmt er Waschmittel mit, damit die Putzfrauen damit waschen, aber natürlich nehmen die das Pulver vom Westen für sich selbst und benutzen stattdessen das eigene. Als Mutter darüber eine Bemerkung macht, widerspricht der Vater und behauptet, dass die Putzfrauen nichts stehlen. Mutter wundert sich, wie sich dann der Schwund der Hosen und die unangenehme Farbe erklärten. Vati beharrt darauf, dass sie auch so werden, wenn man mit Omo wäscht. Mutter sagt nichts. Jenseits der Grenze ist Weiß eine seltene Farbe. Von den Menschen dort benutzen sie nur Bräute und Abiturienten.
    Vati braucht weitere weiße Kleider. Gockel, sagt Mutter zu Anna, aber sonst nichts, Gockel bleibt Gockel, und sie fordert Anna auf, sich aus der Kosmetikabteilung zu holen, was sie wolle, und es in denselben Einkaufswagen zu legen, während Vati durch die Herrenabteilung streift, die Kleiderständer durchsieht und die passenden Größen sucht,aber nicht findet, Mutter findet sie, zum Anprobieren hat er weder die Zeit noch die Nerven. Dann in die Lebensmittelabteilung, wo alles Große und Schwere gekauft wird, denn diesmal fährt Vati mit dem Auto, und es gibt kein zweites Auto, das er Mutter dalassen könnte. Anna und Mutter wohnen in einem dünn besiedelten, waldigen Gebiet, das eines Tages von betuchten Leuten favorisiert werden wird, aber was hat das jetzt für Vorteile, wenn die Busse fahren, wie sie wollen, falls es nicht zu kalt ist, aber auch mit denen kommt man nur in die kleineren Geschäfte. Einen Zweitwagen will Vati nicht im Hause haben – angeblich brauchen sie keinen. Den brauchten sie auch im vorigen Haus nicht, das in einem dünn besiedelten und waldigen Gebiet lag, das eines Tages dicht besiedelt sein und Asphaltstraßen haben und ein Gebiet sein würde, wo Busse im Zehnminutentakt fahren. Aber wenn das Wohngebiet sich allmählich in diese Richtung entwickelt, ziehen Anna und Mutter und Vati dort weg in ein dünn besiedeltes und waldiges Gebiet, wo Mutter ein zweites Auto braucht, das jedoch nicht gekauft wird.
    Meistens sind Anna und Mutter zu zweit zu Hause. Dann, wenn auch Mutter auf Dienstreise ist, bleibt Anna allein. Das neue Haus hat drei Etagen und zehn Zimmer, große Fenster, hohe Räume, weiße Stofftapeten und Parkettfußboden. Anna gefällt das Haus nicht. Wenn Anna allein zu Hause ist, hält sie sich nur in der Küche auf, schließt die Tür und macht Musik an, schaltet den Backofen ein und lässt dessen Wärme in die Küche, die dadurch warm und gemütlich wird, sie packt ihre Schulbücher auf den Küchentisch, stellt daneben Teller und Tasse und isst in gleichbleibendem Tempo. Wenn Mutter von der Reise zurückkehrt, ist Anna auf Diät, damit ihr Gewicht sich wieder reduziert, denn noch betreibt Anna nicht das aktive Entfernen des Gegessenen. Wenn Mutter zu Hause ist und auch Vati, zieht Anna sich in ihr Zimmer in der oberen Etage zurück, Mutter istin der Küche und Vati im Kaminzimmer im Erdgeschoss. So ist es am allerbesten. Am

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