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Stalins Kühe

Stalins Kühe

Titel: Stalins Kühe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofi Oksanen
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fragte ich nicht laut. Es hätte Hukka nicht gefallen. Hukka fand meinen Nabel schön. Hukka wollte den Finger hineinstecken und still daliegen, dann war es ein guter Morgen. Und dann machte Hukka mir ein Butterbrot, und ich aß es, und dann vielleicht noch ein zweites, bestimmt machte Hukka das,und ich wartete ruhig ein paar Stunden ab, ging dann nach Hause und erbrach mich schnell und effizient. Danach hoffte ich, meine Stimme würde klar genug sein, wenn Hukka am Abend anrief.
    Niemand wusste so viel von mir wie Hukka. Aber Hukka selbst wusste das nicht. Hukka, mein Schatz, machte mir Butterbrote und fütterte mich mit Joghurt. Das waren keine sicheren Lebensmittel. Aber mich beunruhigte es überhaupt nicht, wenn Hukka mich fütterte, das machte mir nicht einmal Angst. Auch nicht das Essen in Gesellschaft. Manchmal besuchten uns Hukkas Freunde, ich kochte für die ganze Truppe und aß auch selbst mit! Erst dann, wenn ich auf die Straße ging, und besonders dann, wenn ich zu Hause war, erst dann musste ich das tun, was ich tun musste, also, in Bezug auf das Gegessene. Aber das würde erst am nächsten Tag und mit neuen Speisen stattfinden.
    Nach dem Essen spazierten Hukkas Katzen über mich hinweg, und die eine rollte sich auf meinem Bauch zusammen, schlief und schnurrte und machte den Eindruck, dass sie sich wohlfühlte, und mein Bauch war warm.
    Das war allzu schön. Das konnte meinen Herrn töten.

ICH
WAR
AUCH sonst nachlässig geworden und tat seltsame Dinge. Als wir ein Jahr zusammen gewesen waren, betraf die Nachlässigkeit nicht mehr nur das Sprechen oder so was. Neuerdings stützte ich mich nämlich auf die Ellbogen. Das hatte ich nicht mehr getan, seit sich bei mir alles um das Essen drehte. Jetzt waren meine Ellbogen ganz schrumpelig und schwarz von Tinte und ebenso hart, wie die Fußsohlen eines Barfüßers nach dem Sommer nur sein können. Was war los mit mir? Ich betastete meine Ellbogen und versuchte, mich in Wut zu steigern, um dieses Verhalten, das Aufstützen auf die Ellbogen, sofort abzustellen. Meine Ellbogen waren so schön gewesen. Hatte ich mich jahrelang abgemüht, damit sie sich jetzt in einem solchen Zustand befanden? Ich betrachtete sie im Spiegel. Fotografierte sie. Aber dann bemerkte ich, dass ich in einer kurzärmeligen Bluse ausgegangen war, und es kam mir gar nicht sonderbar vor. Es war mir egal. Wie konnte es sein, dass es mir egal war? Die Makellosigkeit der Ellbogen war ebenso wichtig, wie dass ich mich so verhielt, als könnte ich alles Erdenkliche essen, ohne dass man es mir ansah. Das war ebenso wichtig, weil die Ellbogen aller anderen Menschen in einem so jämmerlichen Zustand waren. Meine dagegen waren zufällig von Natur aus wie die Wange eines Pfirsichs. Wie hatte mir das so völlig gleichgültig werden können? Was war passiert? Was war los mit mir? Der Kopf rief mich zur Ordnung und befahl mir, vernünftig zu sein und mit dem Aufstützen auf die Ellbogen ein für alle Mal Schluss zu machen, aber ich tat nichts dergleichen.

    Und dann begann ich auf den Knien zu sitzen, und zwar nicht nur, um bei einer Begegnung mit Mutter in ihren Augen größer zu wirken, sondern auch dann, wenn ich ganz allein war, jeden Tag, wenn ich die Zeitung las, wenn ich telefonierte, in ganz alltäglichen Situationen und ohne dass es jemand sah, saß ich auf den Knien, obwohl ich wusste, dass das Zellulitis verursachte und deshalb ausschließlich besonderen Fällen vorbehalten bleiben musste wie Mutters Besuchen, bei denen sie meine Kilos in Augenschein nahm und versuchte, wenigstens irgendetwas zu verstehen oder einzuschätzen. Mich aber reizte es, das auch im Bus oder in der Straßenbahn zu tun. Wegen der Straßenschuhe und der anderen Leute hatte ich dann aber doch keine Lust dazu. Nur manchmal heimlich machte ich es direkt neben der hinteren Ausgangstür, wenn keine anderen Fahrgäste da waren. Das war mir plötzlich einfach so angenehm. Obwohl ich sehr wohl wusste, wie meine Schenkel und mein Hinterteil nach einer Weile aussehen würden, wie ich dann weinen und bereuen würde, wenn die Zellulitisallianz den Sieg errungen haben würde. Trotzdem saß ich so, wie ich saß, und schwächte meinen Blutkreislauf und verschlimmerte die Zellulitis, die für die Anorektikerin in jedem Fall eine Gefahr darstellt. Ich war vollkommen verantwortungslos geworden. Gänzlich unbeherrscht. Ich tat Dinge, die ich nicht hätte tun dürfen, noch bevor ich überhaupt begriff, dass ich sie tat. Ich würde

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