Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stalins Kühe

Stalins Kühe

Titel: Stalins Kühe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofi Oksanen
Vom Netzwerk:
fürchterlich aussehen, wie ein Fettkloß, und die Orangenhaut meiner Schenkel ließe sich nicht ebenso leicht, dauerhaft und günstig wegschleifen wie Aknenarben. Ich würde mir das selbst zuzuschreiben haben. Ich würde nur mich selbst beschuldigen können. Ich brauchte mir gar nicht einzubilden, dass mich danach noch irgendjemand jemals begehren würde. Ich hatte nachgegeben. Und wenn eine Frau der Natur nachgibt, hat sie das Spiel schon verloren.
    An all dem war Hukka schuld.
    Entlastend war natürlich, dass ich diese Nachlässigkeitnicht selbst verursacht hatte. Gleichzeitig aber verriet es in unangenehmer Weise, wie groß Hukkas Einfluss auf mich war. Es konnte passieren, dass Hukka mir meinen Herrn ganz und gar nehmen und mein Vertrauen in die verschönernde Kraft meines Herrn zerstören würde. Dann würde ich überdimensionierte Ausmaße annehmen, und ich durfte keine überdimensionierten Ausmaße haben. Außerdem würde ich dann nicht die Kleine Katze sein, denn die Kleine Katze musste leicht und süß sein wie ein Baiser. Meine Essgier würde Hukka mir indes nicht nehmen können. Oder vielleicht doch?
    Immer wieder schlief ich jetzt mit der Schminke im Gesicht ein, obwohl die Haut dann nachts nicht atmen und ausruhen konnte, obwohl dann die Anwendung von Nachtcreme unterblieb und meine Zellen sich nicht ebenso wirkungsvoll erneuern konnten.
    Ich hatte nicht die Kraft, die Augenfaltencreme nach jedem Gebrauch in den Kühlschrank zu bringen.
    Ich vergaß die wöchentliche Maniküre einmal, zweimal, auch ein drittes Mal.
    Während ich im Lebensmittelgeschäft etwas über den Nährstoffgehalt von Wokgemüse las, fiel mir plötzlich ein, dass ich vergessen hatte, vor dem Ausgehen Parfum anzulegen.
    Wir waren seit einem Jahr und zwei Monaten zusammen.

1945
    Arnolds Name fand sich nicht in den Archiven des Schutzkorps, obwohl sie noch so sehr suchten und obwohl sie ihn noch so sehr finden wollten und alle wussten, dass er zum Schutzkorps gehört hatte. Arnold war ausgetreten, nachdem er sich mit dem Kommandeur Priidik Rosenberg überworfen hatte, er hatte seine Waffe und das, was sonst noch mit dem Schutzkorps zu tun hatte, in seinem Haus zusammengesucht, es dem Kommandeur vor die Füße geworfen und war gegangen.
    Hinter dem Verschwinden der Papiere steckte Sofia, die sich bemühte, Arnolds Rückkehr aus dem Versteck vorzubereiten, und deren Schwarm aus der Konfirmandenzeit die Kartei des Schutzkorps verwaltete. Er brachte es nicht übers Herz, sie Sofia zu verweigern, als sie zu ihm kam und darum bat. Sofia zerschnitt die Karte, trat sie in ein Moorloch und ging nach Hause. Dann kam ihr jedoch die Befürchtung, jemand könnte die Kartenschnipsel finden, und sie kehrte zu dem Moorloch zurück, sammelte sie ein, brachte sie nach Hause, verbrannte sie und wachte neben dem Feuer, kontrollierte sogar noch die Asche.
    Arnold kam jedoch noch nicht wieder hervor, denn man würde ihn letztlich doch abholen. Priidik Rosenberg würde man ein Zeugnis darüber abpressen, dass Arnold nicht nur früher zum Schutzkorps gehört hatte, sondern immer noch Mitglied war. Hinzu käme noch das Wort eines Mannes, der sich als zuverlässiger Roter erwiesen hatte, und ein solcher würde sich sicherlich in Arnolds Bruder Karla finden. Karlawürde sicherlich beschwören, dass sein Bruder noch immer ein Mann des omakaitse , des Schutzkorps, sei! Dann würde es als Beweis keiner Papiere mehr bedürfen.
    Manchmal bekommt Sofia Besuch von NKWD – Leuten, die nach Arnold fragen und interessiert sind, ihn mitzunehmen. Einmal gehen die NKWD – Leute in Richtung Waldrand, belagern und durchkämmen den Wald und legen eine Schlinge um Arnold. Der Denunziation zufolge soll Arnold entweder im Haus oder im nahen Wald sein. Er wäre auch gar nicht weit gekommen. Wenn er denn nach Hause gekommen wäre. So wie es eigentlich geplant war. Um ein Bad zu nehmen. Das Wetter war dafür gut geeignet.
    Sie finden Arnold nicht.
    Sofia verbringt die ganze Nacht und den ganzen Tag in Angst, bringt aber trotzdem für die folgende Nacht Lebensmittel an die vereinbarte Stelle.
    Am Morgen sind Brot und Schinken verschwunden.
    Im Radio wird versprochen, dass niemandem etwas weggenommen wird, was ihm gehört. Das Land werde nicht weggenommen, Menschen werden nicht fortgebracht, Tiere werden nicht fortgebracht. Nichts werde sich ändern.
    August wird durch eine Kugel des Sicherheitsdienstes verwundet, aber es gelingt Elmer, den Bruder zur Mutter zu bringen, die

Weitere Kostenlose Bücher