S.T.A.L.K.E.R. 02 - Inferno
zusammenkneifen, um sich vor den Strahlen der aufsteigenden Sonne zu schützen. Sobald er die einfallende Helligkeit abgeschirmt hatte, schälte sich ihr Einsatzziel aus der Morgendämmerung; eine von Sonne und Regen verwitterte Betonhalle, deren löchriges Wellblechdach seit sechsundzwanzig Jahren vor sich hin rottete. Damals, vor dem GAU von 1986, mochten dort Traktoren, Mähdrescher und andere Landmaschinen ein- und ausgefahren sein, inzwischen wirkte die Ruine völlig verlassen.
Popow misstraute der trügerischen Stille, und zwar aus Prinzip. In der Zone war selten etwas so, wie es auf den ersten Blick schien, außerdem hatte er die in der Halle befindlichen Zielpersonen erst vor wenigen Stunden verlassen. Wenn ihn nicht alles täuschte, entstieg dem löchrigen Dach eine dünne Rauchfahne. Zu riechen war allerdings nichts.
Nervös fuhr er sich mit der Zunge über die rissigen Lippen, um sie zu befeuchten. Doch so angestrengt er auch das vor ihm liegende Gelände erkundete, es war kein einziger Posten auszumachen. Nicht auf dem Dach, das ohnehin keinen ausgewachsenen Mann mehr getragen hätte, nicht links und nicht rechts des Gebäudes ... und auch nirgendwo sonst im umliegenden Gras.
„ Keine Wachen?", fragte Yavorsky. Der Scharfschütze mit der schallgedämpften Vintar BC klang misstrauisch. „Oder ist die Bande schon ausgeflogen?"
„ Die sind noch da!", schnappte Popow grimmig.
Der Gedanke, dass alles umsonst gewesen sein könnte, war ihm unerträglich. Diesmal musste es einfach klappen. Diesmal mussten sie Maxim Tunduk und seine Bande erwischen. Sie und was sich in ihrem Besitz befand. Aus diesem Grund führte Popow das Kommando persönlich an, obwohl er damit seine Tarnung innerhalb der Zone gefährdete.
„Du deckst unseren Vorstoß", befahl er Yavorsky mit gedämpfter Stimme. „Nimm alles aufs Korn, was sich bewegt, selbst wenn nur ein verdammter Rabe auffliegt. Sobald wir die Halle erreicht haben, folgst du uns nach."
„Geht klar." Obwohl das Gesicht des Scharfschützen im Schatten der Kapuze lag, funkelten zwei Reihen gelblicher Zähne zwischen Lippen hervor, die sich zu einem breiten Grinsen spalteten.
Zufrieden kauerte er auf dem weichen Boden nieder und rutschte ein wenig hin und her, um die ideale Position in dem vor ihm liegenden Dickicht zu finden. Von dieser Lücke aus konnte er einen Gegner auf fünfhundert Meter genau zwischen die Augen treffen.
Popow und die beiden anderen Soldaten warfen einen letzten Blick auf ihre Detektoren, bevor sie sich aus der Deckung lösten und in weit auseinandergezogener Linie den steilen Abhang hinunterliefen. Trotz ihrer geduckten Haltung achteten sie auf flirrende Wärmesäulen, emporwirbelndes Laub oder andere Anzeichen, die eine Anomalie verrieten. Detektoren hin oder her, wer die Zone schon so lange wie sie durchstreifte, der konnte gar nicht mehr anders, als auf solche Hinweise zu achten.
An der rückwärtigen Hallenseite angelangt, schmiegte sich Popow gegen den verwitterten Beton und spähte die umliegende Ödnis nach verdächtigen Bewegungen aus. Der kurze Sprint hatte seine Atemfrequenz nur geringfügig beschleunigt, dafür hämmerte sein Herz deutlich schneller gegen den Brustkorb. Ein erster Adrenalinschub pumpte durch seine Adern und versetzte ihn in einen angenehmen Rauschzustand.
Seine Hände zitterten trotzdem weiter.
Sehr ungewöhnlich.
Vom Gebäude aus drohte keine Gefahr. In einigen Metern Höhe zogen sich sechs Lagen mit Glasbausteinen über die gesamte Rückfront, damit Tageslicht einfallen konnte. Fenster oder andere für Heckenschützen nutzbare Öffnungen existierten nicht.
Alles blieb ruhig, während Yavorsky zu ihnen aufschloss.
Tunduks Bande musste sich verdammt sicher fühlen, wenn sie auf eine Rundumsicherung verzichtete. Allerdings war ihre Gruppe, die lose mit der Freiheitsfraktion sympathisierte, zahlenmäßig sehr klein. Umfangreiche Wachdienste verkürzten die Ruhephasen erheblich, deshalb wurde öfter darauf verzichtet, als gesund war. Besonders früh morgens, wenn normalerweise alles in der Zone schlief.
Popow bedeutete Yavorsky, das er ihm folgen sollte. Zu zweit steuerten sie die Halle von rechts aus an, während die anderen von links vorrückten. Rasch umrundeten sie die vor ihnen liegende Ecke und schlichen bis zu einem Durchbruch, der genauso gut von einer ausgelösten Anomalie wie von einer handelsüblichen Explosion in die Wand gesprengt worden sein mochte.
Die knapp einen Meter breite, nach oben hin
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