S.T.A.L.K.E.R. 02 - Inferno
paar neue Löcher in das mürbe Wellblechdach - mehr erreichten sie nicht. Yavorsky und die anderen fielen zu Boden, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern.
Popow wollte fluchen, brachte aber nur ein blutiges Gurgeln hervor. Das AKM entglitt seinen kraftlosen Fingern, bevor er hart auf den Boden schlug.
Weitere Schüsse peitschten durch die Halle. Sein Körper bäumte sich auf, doch die Schmerzen, die ihn bereits durchfluteten, waren so groß, dass er die Einschläge nicht mehr spürte.
Kaum waren die Gewehre verstummt, erklangen schwere Schritte. Von überall liefen sie herbei, die Stalker, die ihnen unter Reifen, Metallschrott und staubigen Planen verborgen aufgelauert hatten, statt in den mit Decken ausgestopften Schlafsäcken zu liegen.
„Wo.. .her?", brachte Popow nur noch von einer einzigen Frage beherrscht mühsam hervor. Wie hatten die Freischärler seine Tarnung durchschaut - und woher hatten sie gewusst, wann er mit Verstärkung zurückkehren würde?
Natürlich war es sinnlos, die Frage laut zu formulieren. Tunduk würde sie niemals beantworten. Er zog es vor, triumphierend auf den Sterbenden herabzusehen.
„Mieser Spitzel!", fluchte ein herbeigeeilter Heckenschütze, der sich zuerst des AKMs bemächtigte und ihn dann nach Munition durchsuchte.
Als Popow den Kopf zur Seite drehte, sah er neben sich vier weitere Stiefelpaare stehen. Eines von ihnen deutlich kleiner als die übrigen. Popow schaute zu der schmalen Gestalt auf... und plötzlich wusste er, wem er seine Enttarnung zu verdanken hatte.
Anklagend hob er seine bluttriefende Rechte und deutete mit dem Zeigefinger auf die erschrocken zurückweichende Gestalt.
„Du ...", grollte er zornig. „Du bist an allem Schuld!"
Er hätte gerne noch eine unheilsschwangere Drohung folgen lassen, doch von plötzlichem Schwindelgefühl überwältigt, sackte seine Hand zurück in die Tiefe. Die Augenlider wurden Popow schwer wie Blei. Röchelnd ließ er sie über die Pupillen gleiten und versank in einem Meer aus unendlichem Schwarz, aus dem er nie wieder erwachen sollte.
VOR DER ZONE
1.
OSTROV, Ukrainisches Staatsgefängnis, Hochsicherheitstrakt
Am Rande von Kiew, umgeben von unüberwindbaren Mauern, existierte eine Welt, in der nur das Recht des Stärkeren galt. Um in Ostrov zu überleben, reichte es nicht aus, schneller, intelligenter oder skrupelloser als andere zu sein. Wer sich hier auf Dauer behaupten wollte, brauchte genügend Muskelkraft, um sich körperlich zur Wehr setzen zu können.
Tägliches Training an den Hantelbänken gehörte deshalb zu Davids Überlebensstrategie. Nur mit Turnschuhen, grauer Jogginghose und einem T-Shirt bekleidet, trat er in den großen Drahtverhau, der den Sportbereich umgab. Viel war an diesem Tag nicht los. Vor einem erhöht angebrachten Netzkorb warfen sich drei schlaksige Kerle gegenseitig den Basketball zu, das war's auch schon. Wegen der dunklen Wolkenfront am Himmel scheuten viele Gefangene davor zurück, ins Freie zu gehen. Die meisten schlugen lieber drinnen die Zeit am Fernseher, vor dem Schachbrett oder beim Kartenspielen tot.
Die Hantelbänke waren trotzdem voll belegt. Meist von jenen, die hier sonst keinen Platz ergattern konnten.
David langte nach dem Handtuch, das um seinen Nacken lag. Sobald sich seine Hände um die lose vor der Brust pendelnden Enden schlössen, konnte er den dreimal um sich selbst geschlungenen Stoff als Waffe einsetzen. Sollte zum Beispiel jemand versuchen, mit einem spitz zugeschliffenen Stahlstück nach ihm zu stechen, konnte er mit dem straff gespannten Frottee problemlos die angreifende Waffenhand abblocken. Oder sie zur Seite lenken und im Gegenzug am Arm des Gegners emporrutschen, um ihm das gedrehte Handtuch um den Hals zu schlingen. Ein kräftiger Mann brauchte dann nur noch zu entscheiden, ob er den Gegner lieber erwürgen oder mit einem harten Ruck das Genick brechen wollte.
Nicht, dass David eines von beiden vorschwebte. Er hatte es sich nur zur Gewohnheit gemacht, laufend mögliche Abwehrtechniken im Kopf durchzuspielen, um jederzeit für den Ernstfall präpariert zu sein.
Zwei feine Regentropfen benetzten sein Gesicht, während er sich vor seiner bevorzugten Hantelbank aufbaute. Es würde bald nieseln, aber das störte ihn nicht. Er trainierte auch, wenn es in Strömen goss.
Der Kerl, der auf seinem Platz Gewichte stemmte, sah aus, wie die meisten Insassen von Ostrov. Kurz geschoren, hager, verkniffenes Gesicht. Dazu ein struppiger, leicht
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