S.T.A.L.K.E.R. 03 - Apokalypse
das Land wie hinter einer wattierten Wand. Ab und zu glaubte David zwar, einen wandernden Schatten auszumachen, doch sobald er genauer hinsah, verschmolz der sofort wieder mit dem allgegenwärtigen Nebel.
Während er so dalag, spürte er deutlich, dass sich der Major genauso sorgte wie er selbst. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was dieses Gefühl bedeutete ...
„Meine innere Stimme", flüsterte er leise, denn er sprach nicht gerne von PSI oder Telepathie, „ich glaube, sie kehrt zurück."
„Dann war deine Theorie richtig. Die Feuerkäfer haben eure Kräfte blockiert." Major Marinin sah nicht auf, während er sprach, sondern zog sein AKM fest in die Schulter.
Er musste ebenfalls über einen sechsten Sinn verfügen, und zwar einen von der Sorte, wie er sich im Laufe eines an Gefahren reichen Lebens entwickelte. Denn nur zwei Sekunden später fuhr eine Leuchtkugel in den Himmel.
Obwohl David diesem Augenblick entgegengefiebert hatte, erschreckte ihn, was der rote Schimmer enthüllte. Die Monolith-Stalker hatten die Birkengruppe bereits erreicht und halbkreisförmig umstellt. Fünf von ihnen hielten ihre Gewehre schussbereit im Anschlag, die Mündungen drohend in das Innere der Mulde gerichtet.
David nahm sofort einen von ihnen ins Visier, konnte aber nicht wagen, das Feuer zu eröffnen. Falls sich Kim zwischen den Bäumen versteckt hielt, bestand die Gefahr, dass sie bei einem Gefecht versehentlich von den überlebenden Stalkern durchsiebt wurde.
Atemlos verfolgte er, wie der Sechste der Gruppe durch das hohe Gras streifte, den Blick und den Lauf seiner Kalaschnikow auf den Boden gerichtet. Meine Güte, Kim! Warst du wirklich so dumm, dich so schlecht zu verschanzen?
Von einem Peilgerät war nicht das Geringste zu sehen. Trotzdem wirkte der Stalker, als wüsste er ganz genau, dass sich etwas zu seinen Füßen befand. Schritt für Schritt kam er dem mit seiner Gewehrmündung anvisierten Punkt näher. Die Bewegungen des Mannes wirkten dabei seltsam abgehackt und ungelenk, wie die einer schlecht geführten Marionette.
Ungefähr im Schnittpunkt der umliegenden Bäume blieb er stehen, teilte das vor ihm liegende Gras mit dem rechten Stiefel, bückte sich, und hob einen winzigen Gegenstand auf, den er seinen Kameraden präsentierte.
Die Sicht war zu schlecht, um genau zu erkennen, was er da hielt, trotzdem bezweifelte David keine Sekunde, dass es sich um seinen Feuerkäfer handelte.
Darum hatte Kim auf die Birkengruppe zugehalten. Um den Stein abzulegen. Die perfekte Falle für jeden, der sich nur auf seine Peilungen verließ.
„Gutes Mädchen", lobte der Major, während er den Sicherungshebel mit einem leisen Klicken zurücklegte. „Ich komme von rechts."
David nahm daraufhin den am weitesten links stehenden Stalker aufs Korn. Sein Zeigefinger lag bereits am Abzug, als er einen faustgroßen Gegenstand bemerkte, der zwischen den Birkenwipfeln hindurchflog.
Sofort schloss er die Augen.
Der Explosionsblitz war trotzdem schmerzhaft hell. Eine endlose Sekunde lang wurden seine Augenlider so durchscheinend, dass sich das feine Geflecht ihrer Äderchen vor seinen Pupillen abzeichnete.
Der Knall, mit dem die Handgranate explodierte, war ohrenbetäubend. Von der Druckwelle erfasst, wurden die überraschten Stalker in die Luft geschleudert. Winzige, scharfkantige Splitter zerfetzten ihre Schutzanzüge, noch ehe sie auf den Boden prallten.
Blutend und schreiend wälzten sie sich im Gras oder kamen, wild um sich schießend, wieder in die Höhe. Ihr Kevlarschutz verhinderte zwar tödliche Wunden an Brust und Rücken, doch auch zerfetzte Oberschenkel und durchtrennte Achillessehnen machten einen Mann kampfunfähig.
Gut dreißig Meter hinter ihnen, am Fuße des zerklüfteten Erdhangs, flammte die Mündung einer Schrotflinte auf. Kim hatte die Granate nicht nur sehr weit geworfen, sondern auch äußerst zielgenau platziert.
Einer der Stalker wirbelte herum, um sie unter Feuer zu nehmen. David zog den Abzug durch und holte ihn mit einer Salve von den Beinen. Danach wandte er sich dem nächsten Gegner zu, und der Gewehrkolben drückte sich erneut in seine Schulter.
Neben ihm arbeitete der Major mit der gleichen Präzision.
Sie mussten so schnell und hart zuschlagen, um die Übermacht des Gegners auszugleichen. Das Adrenalin, das durch ihre Adern pumpte, schwemmte jeden überflüssigen Gedanken beiseite. Zielen, schießen und wieder zielen ― das war alles, woran sie in diesem Augenblick denken konnten.
Den
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