S.T.A.L.K.E.R. 04 - Zone der Verdammten
schaukeln. Die Brise war gesättigt mit Regenfeuchtigkeit und trug den kaum wahrnehmbaren Geruch eines Lagerfeuers heran. Riesige schwarze Wolken jagten brodelnd über den Himmel, stießen gegeneinander und verschmolzen miteinander. Sie strömten Richtung Horizont und verschwanden im fliederfarbenen Dunst. Die phlegmatische Sonne lugte ab und zu zwischen den Wolken hervor und tauchte den Wald in purpurrotes Licht.
Waschbär, der allen vorausging, hob plötzlich warnend die Hand. Wir alle blieben stehen, wo immer wir gerade waren. Mönch senkte sein bereits angehobenes Bein vorsichtig wieder auf die Erde. Yankel, der zwischen den Tannen ging, erstarrte mit dem Ast in der Hand, den er gerade von seinem Gesicht wegschieben wollte. Termite konnte seinen quälenden Husten kaum unterdrücken. Fliege,der sich links von Waschbär bewegte, ging schnell in die Hocke und untersuchte die Umgebung mit dem Anomalie-Detektor.
Über allem lastete eine dumpfe Stille, und jeder von uns lauschte angestrengt und versuchte die drohende Gefahr zu erkennen.
Ich schaute zu Waschbär. Meiner Meinung nach war alles in Ordnung, aber er ging an der Spitze und hatte daher den besseren Überblick.
Fliege hob die Hand und machte eine spezielle Stalkergeste, die bedeutete:Wir gehen weiter, aber langsamer als bisher. Wir schritten vorsichtig voran. Wenn man Stalkervorahnungen nicht ernst nahm, konnte das böse enden.
Patogenitsch riss plötzlich seine rechte Hand in die Höhe, wobei seine Handfläche parallel zur Erde zeigte, was bedeutete: Fleischwolf.
Während er und Belomor sämtliche Bolzen in den Fleischwolf warfen, um die ungefähren Grenzen der Anomalie auszuloten, umging der Rest von uns die Stelle in großem Bogen. Wir marschierten entschlossen weiter.
Chamsa winkte mir zu und zeichnete einen Kreis in die Luft, danach streckte er zwei Finger in die Höhe:Heißer Fleck auf zwei Uhr.
Ich nickte: Danke, habe verstanden.
Die „Sünder" hatten für ihr Hauptquartier einen ziemlich entlegenen Ort im Nordwesten der Zone ausgesucht. Früher einmal hatte sich hier ein Militärstützpunkt befunden, zu dem auch eine gut erhaltene, asphaltierte Straße führte. Allerdings war diese Straße mittlerweile mit Anomalien und Aussichtsposten der Sünder übersät. Auch im Wald gab es viele Anomalien, aber durch ihn konnten wir uns wenigstens unbemerkt heranschleichen.
Zum gleichen Zeitpunkt umstellten noch drei weitere Stalkergruppen aus den Clans „Schuld", „Sauberer Himmel" und „Jüngster Tag" das Quartier der „Sünder". Mit den Anführern der meisten anderen Clans wurde die Vereinbarung getroffen, dass sie uns bei unserer Operation zumindest nicht stören und stillschweigend unterstützen würden. Die Einzigen, die der Vereinbarung nicht zustimmten, waren „Monolith", „Freiheit" und Dunkle Stalker — Halbmutanten, die in den toten Dörfern der tiefen Zone hausten und denen unsere menschlichen Angelegenheiten vollkommen egal waren. Die „Sünder" hatten es mit ihren grausamen Verbrechen geschafft, alle freien Stalker gegen sich aufzubringen. Wir wollten ein für alle Mal mit diesem Krebsgeschwür aufräumen. Nicht nur weil wir persönliche Rechnungen offen hatten, sondern auch, weil wir sie als gefährliche Mutanten einstuften, als eine Horde von mordlüsternen Bürern. Und unser Clan hatte sich unter anderem zum Ziel gesetzt, die Zone von Mutanten zu säubern.
Eine Viertelstunde später kletterten wir auf eine Lichtung. Termite sondierte mithilfe eines handlichen amerikanischen Teleskops den direkt vor uns liegenden Betonzaun sowie die dahinter liegenden halb zerstörten grauen Gebäude. An den Ecken der Basis befanden sich Wachtürme. Auf einem stand ein „Sünder" in Tarnjacke und schwenkte planlos den Schweinwerfer in alle Richtungen. Dabei schrie er aufgeregt in ein Megaphon. Der Wind trieb uns Satzfetzen entgegen: „Dunkelheit ... Territorium im Feuer ... Sünden ... wird zu uns kommen ... Erde wird verbrennen ... Tod!"
Sein Megaphon streikte, und vom Turm erklang das lang gezogene Geräusch der Automatik. Etwas Graues und Vierbeiniges, das ganz in der Nähe des Zaunes saß, flüchtete zum Wald.
„Wir sind verflucht!", erklang es vom Turm.
Ich berührte Termite an der Schulter und fragte ihn mittels Gesten: Was denkst du, Psycho oder Opfer eines Kontrolleurs?
Termite zuckte die Schultern. Im Prinzip benahmen sich Zombies nicht so. Allerdings hatten wir bisher noch nie etwas von einem ganzen Clan Verrückter
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