Star Trek - Titan 05 - Stürmische See
geistige Führung zu geben.
Laut Alos und Gasa gab es während des Wahns ziemlich viel Spannung, da viele in der anderen Schule die Außenweltler als Bedrohung ansahen und sie aggressiv behandeln wollten. Ein paar Mitglieder der Sicherheitsschule waren sogar von ihren Argumenten überzeugt worden und in andere Gruppen abgewandert. Auch einige aus Chams Schule waren kurz davor gewesen, hatten ihr die Jungen erzählt – da sie sich so eng mit dem Tierleben auf Droplet verbunden fühlten, waren sie über das Leid der anderen Lebewesen sehr besorgt. Cham, der stur und konservativ war und Änderungen der gebührenden Ordnung nicht mochte, war über die Überläufer natürlich nicht erfreut, konnte ihre Gründe aber in gewissem Maße nachvollziehen. Aber Melo und seine Astronomen hatten sich auf die Seite der Außenweltler geschlagen. Melo war älter, aber das hatte ihn nicht engstirnig gemacht, stattdessen war er durch das lebenslange Studium einer vollkommen abstrakten Wissenschaft zu einer Art Träumer geworden. Er und seine gleichgesinnten Schulkollegen waren von der Entdeckung von Leben jenseits des Himmels wie verzaubert und hatten eloquent von den großen Erkenntnissen gesungen, zu denen sie dadurch gelangen würden. Dies hatte die potenziellen Überläufer in Chams Schule umgestimmt und außerdem die Matrone, wie Aili den spirituellen Führer getauft hatte, davon überzeugt, sich Aili genauer anzusehen und mit ihr über den Glauben der Kalwale zu sprechen.
»Sie glauben an etwas, das sie das Lied des Lebens nennen«, erklärte sie Riker, sobald sie die Lehren der Matrone zu ihrer eigenen Befriedigung verstanden hatte. Wie gewöhnlich saß er am Strand des Schwimmers und sie lag aufgestützt im flachen Wasser davor. »Für sie ist alles ein Lied. Sie singen der Welt vor und sie singt zurück. Das Lied und seine Spiegelungen definieren die Welt, machen sie wirklich, geben ihr Form und Substanz.«
»Echoortung«, interpretierte Riker. »Sie nehmen die Welt wahr, indem sie akustische Impulse aussenden und dem Echo lauschen.«
Sie nickte. »Für sie ist das nur ein Teil des größeren Lieds. Sie singen, um Nahrung zu finden. Sie singen, um andere Kalwale zu finden, mit denen sie singen, sich paaren und neue Kalwale zeugen können. Sie singen, und andere Spezies hören zu und gehorchen.
Das Universum selbst ist ein Lied für sie. Ihrer Ansicht nach gibt es die Welt Darunter, die Welt Dazwischen und die Welt Darüber. Das sind die hypersalinen Tiefen, der normale Ozean und die Luft. Und sie alle sind Obertöne eines tieferen Fundaments, dem Kern der Welt.«
Sie lächelte, während sie versuchte, die Schönheit einzufangen, in der die Matrone zu ihr gesungen hatte. Die Welt Dazwischen war der physische Bereich, die Welt des Erwachens. Die Welt Darüber war das jenseitige Reich, die Welt des Schlafes. Regelmäßig besuchten die Kalwale die Welt Darüber im Schlaf. Sie versorgte ihren Geist, wie die Luft ihren Körper versorgte. Auf Kalwalisch hing »Geist« etymologisch mit »Atmung« zusammen. Allerdings konnte sich nach dem Aufwachen kein Kalwal mehr an seinen Besuch im Darüber erinnern. Allerhöchstens noch an Träume, die verzerrte Reflexionen der wachen Welt waren, wie sich kräuselnde Spiegelungen auf der Meeresoberfläche. Wie Selkies schliefen sie nur mit einer Gehirnhälfte, um genügend Bewusstsein zu behalten, damit sie auf Bedrohungen reagieren konnten. Also wechselten sie in ihrem Traumzustand zwischen der Welt Dazwischen und der Welt Darüber, genauso wie sie es taten, wenn sie an der Oberfläche schwammen.
Aber so wie die Bewegungen der Oberfläche vom Wetter kündeten, so berichteten die Träume vom Zustand in der Welt Darüber und boten spirituelle Führung – natürlich mit viel Raum für Interpretationen. Ein großer Prozentsatz der SOFAR-Kanal-Kommunikation war der Traumdeuterei gewidmet, in der die Bedeutung der Kalwal-Träume durchgesprochen wurde. Es gab im Kalwal-Glauben kein Dogma, dafür genossen sie eine gute Diskussion viel zu sehr.
Was die Welt Darunter anging, so war sie das Reich des Todes, in das alle lebenden Wesen irgendwann unausweichlich sanken. Aber sie glaubten nicht, dass der Geist dorthin gehörte; seine Natur wurde, sobald er vom Fleisch befreit war, in die Welt Darüber erhoben, wie Gase, die einem verwesenden Körper entströmten und nach oben stiegen, während der Körper nach unten sank.
»Aber die Welt Darunter ist für sie auch irgendwie lebendig«, sagte sie. »Sie
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