Star Trek - VOY - 014 - Das schwarze Ufer.rtf
die Ocampa, in den wölfischen Zügen des Ältesten so etwas wie Unsicherheit und sogar
Furcht zu erkennen.
Kes fand eine solche Reaktion durchaus verständlich.
Fassungslos beobachtete sie, wie seltsame
Erscheinungen aus dem Boden der Frachtkammer
aufstiegen. Die Wesen schienen nur aus Dunst und
Schatten zu bestehen, passierten Stahl und Stein so
mühelos, als seien jene Hindernisse ebenso immateriell wie das Phantom namens Kes. Sind es Hologramme
wie der Doktor? überlegte sie. Oder handelt es sich um etwas ganz anderes?
Sie wiesen gewisse Ähnlichkeit mit den Neffalern auf –
an jedem nebelhaften Arm erkannte die Ocampa sechs
verschwommene Finger –, wirkten jedoch größer und
kräftiger. Ihre Gliedmaßen waren lang und geschmeidig, von glänzendem Pelz bedeckt. In den großen,
mondartigen Augen leuchteten Weisheit und Kummer.
Sie sind wunderschön, fuhr es Kes durch den Sinn.
Sahen die Neffaler so aus, bevor die Ryol sie
versklavten? Tief in ihrem Herzen zweifelte sie kaum daran, daß das tatsächlich der Fall gewesen sein
mußte.
Varathaels Gesicht wies inzwischen kaum noch
menschliche Züge auf. Er hatte sich in ein tierisches Geschöpf verwandelt, schnupperte immer wieder und
schien seine Absicht vergessen zu haben, sich an der Voyager zu rächen, indem er die Geiseln tötete. Er drehte den Kopf von einer Seite zur anderen und hielt in dem dunklen Frachtraum nach verborgenen Gefahren
Ausschau. Aus seinem Verhalten zog Kes folgenden
Schluß: Er konnte die aus dem Boden aufsteigenden
körperlosen Entitäten nicht sehen, spürte aber ihre
Nähe. Varathael ging hin und her, hob dabei die Klauen, um sich gegen einen unsichtbaren Gegner zu
verteidigen. Aus seinem wütenden Knurren wurde ein
nervöses Wimmern.
Die substanzlosen Wesen – Kes wußte, daß es die
Seelen jener Neffaler waren, die vor langer Zeit an
diesem tragischen Ort den Tod gefunden hatten – glitten den reglosen Körpern ihrer Nachkommen entgegen. Im
hellen, weißen Licht der Kristalle erschienen die Geister teilweise transparent – Kes konnte durch die Entitäten hindurch die gegenüberliegende Wand sehen. Der rote
Pelz glänzte fast zu sehr, um echt zu sein; es schien sich eher um ein von Lasern und Neonlicht erzeugtes
Trugbild zu handeln.
Während Varathaels Nervosität wuchs, krochen die
Geister in die Körper der betäubten Neffaler, gewannen dadurch feste, greifbare Existenz. Die kleinen Gestalten bewegten sich plötzlich. Dünne Glieder zuckten, als die affenartigen Geschöpfe aufstanden.
Besessen vom Zorn der vor Jahrtausenden ermordeten
Ahnen näherten sich die Neffaler Varathael, offenbarten dabei eine Kraft und Zielstrebigkeit, die sie nie zuvor gezeigt hatten. Der Älteste sah die revitalisierten Körper ganz deutlich und fauchte Befehle für die früheren
Sklaven, forderte sie mit einer gebieterischen Geste auf, sicheren Abstand zu wahren. Doch die Neffaler scherten sich nicht darum. Sie kamen weiter näher, umringten
Varathael, bleckten die Zähne und kreischten wütend.
Sie griffen nach Knochen und Steinen, schwangen sie
wie Waffen und schleuderten sie nach dem Ältesten.
Die Wurfgeschosse prallten vom roten Kraftfeld ab, aber Varathael wich trotzdem zurück, überrascht von der
Wut, die die bis dahin sanften und schreckhaften Wesen offenbarten. Aus der Verachtung in seinen Augen wurde Verblüffung und dann sogar Furcht. Er wandte sich zur Flucht, aber weitere Neffaler versperrten ihm den Weg.
Eine kleine pelzige Gestalt sprang dem Ältesten auf den Rücken und schlang ihm die Arme um den Hals. Das
rote Kraftfeld flackerte, doch eine Entladung, die den Angreifer zurückwarf, blieb aus. Andere Neffaler folgten dem Beispiel des ersten, sprangen, klammerten sich an Varathael fest, traten und schlugen. Der Ryol
verschwand unter einer Horde aus wütenden Neffalern, die sich für viele Generationen der Unterdrückung und Ausbeutung rächten.
Jedes Kraftfeld hatte eine Belastungsgrenze, und die war nun auch bei Varathaels Individualschild erreicht.
Kes beobachtete, wie das scharlachrote Schimmern
erneut flackerte – und dann verschwand.
Wenige Sekunden später wandte die Ocampa den Blick
ab. Das Heulen – und die schmerzerfüllten Schreie –
erklangen fast eine Minute lang, doch Kes wollte nicht sehen, was geschah.
»Die Neffaler sahen eine Chance und ergriffen sie«,
sagte Chakotay. Zusammen mit den anderen
Führungsoffizieren saß er am Konferenztisch. Kes
stellte fest, daß
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