Star Wars™ Der Vergessene Stamm der Sith: Storys (German Edition)
sonnendurchflutete Atrium. Jahrhunderte zuvor hatte der erste Großlord, Yaru Korsin, zugesehen, wie sich sein Neffe Jariad hier duelliert hatte – schon damals, wie Hilts vermutete, in dem Wissen, dass Jariad vorhatte, ihn zu hintergehen. Jetzt beherrschten die Sandfallrohre den Raum. Das hoch aufragende Netzwerk sandgefüllter Glasbehälter, um die sich praktisch geräuschlos hellbraun gekleidete, aufmerksame Keshiri-Mädchen kümmerten, maß für den Stamm die Zeit.
Als könne man die Zeit festhalten , dachte Hilts und kratzte sich die Wange. »Ich will mich in diesen Rohren spiegeln«, machte er deutlich. »Ich muss dir ja wohl nicht erklären, was für ein bedeutender Tag bevorsteht.«
Nein, das brauchte er Jaye wirklich nicht zu sagen. Die Arbeiter polierten das gewaltige Instrument noch hingebungsvoller, sorgsam darauf bedacht, seine Funktionsweise dabei nicht zu stören. Zum ersten Mal in ihrem jungen Leben kamen Besucher zu ihrem Arbeitsplatz. Schon seit sechshundert Jahren lebte kein Großlord oder Möchtegern mehr im Palast. Korsins Architekten hatten das Bauwerk unter dem Aspekt der Schönheit errichtet, nicht der Verteidigung. Lediglich am Testamenttag waren Besucher im Gebäude erlaubt.
Alle fünfundzwanzig Jahre, am Jahrestag von Korsins Tod, lauschten Zuhörer, wie sein letzter Wille von Neuem verlesen wurde. Vor fünfzig Jahren war Hilts noch ein Junge gewesen, dem der Zutritt zum Palast verwehrt gewesen war – aber der Gedanke, mit der Vergangenheit in Kontakt zu treten, hatte seine Fantasie beflügelt. Durch intensive Studien und mühevolle Arbeit hatte er dafür gesorgt, dass er den nächsten Testamenttag ausrichten würde, wenn es so weit war.
Jetzt nahte der Tag mit der Geschwindigkeit eines Kometen ein weiteres Mal. Allerdings war der Palast heutzutage ein wesentlich schäbigerer Ort, und ihm mangelte es an den Mitteln, alles zu reparieren. Als er die Risse in den Rauchglasscheiben in der Decke in Augenschein nahm, kam bei Hilts einfach keine Begeisterung auf.
Dieses Problem hatte Jaye nicht. »Sie haben es bestätigt, Verwalter!«, quietschte der Keshiri, den Abakus in der Hand schüttelnd. »Meine Berechnungen bezüglich der Sandrohre …«
»… sind gegenwärtig nicht von Belang«, sagte Hilts. »Es sei denn, du beabsichtigst, dir einen Putzlappen zu schnappen und dabei zu helfen, sie sauberzumachen.« Er musterte die jungen Frauen bei ihrer Arbeit. Zumindest einige Bereiche des Raums würden gut aussehen. »Wir haben noch zwölf Tage Zeit. Wenn es so weit ist, werden wir bereit sein.«
Der Bedienstete biss sich auf die Lippen. »Können wir wirklich dafür bereit sein? Dies … dies ist eine mystische Konvergenz. Nein, eine heilige .«
Hilts verdrehte die Augen. Jaye liebte seine Zahlen nicht bloß, zugleich fürchtete er sie auch. Dieses Jahr war tatsächlich ein Novum für den Stamm. Der Testamenttag war nicht der einzige Feiertag dieser Art – und Yaru war nicht der einzige Korsin. Nach ihrem Vater hatte seine Tochter Nida sage und schreibe neunundsiebzig Jahre lang geherrscht, und ihr Aufstieg zur Großlady wurde alle neunundsiebzig Jahre mit einer einen Monat währenden Feier auf dem Gelände außerhalb des Palasts zelebriert. Nicht einmal Hilts war beim letzten Mal dabei gewesen.
»Versteht Ihr denn nicht, Verwalter?« Abakus-Muscheln ratterten, als Jaye eine weitere Berechnung durchführte. »Es ist jetzt 1975 Jahre her, seit Großlord Korsin diese Existenz hinter sich ließ und Nida seine Nachfolge antrat – und das ist neunundsiebzig mal fünfundzwanzig! Dies ist das erste Mal, dass der Testamenttag und Nidas Aufstieg ins selbe Jahr fallen!« Seine Augen schossen nervös von einer Seite zur anderen, und er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Das erste Mal überhaupt .«
»Überhaupt!« Hilts packte seinen blasslila Assistenten in gespielter Ernsthaftigkeit an den Schultern, woraufhin Jayes Rechengerät auf den Steinboden fiel. »Was du mir damit also sagen willst, ist – dass wir unbedingt dafür sorgen sollten, dass genügend Wein bereitsteht!« Hilts ließ Jaye los und tätschelte ihm leicht die Wange. »Wir brauchen nicht noch mehr Omen, Jaye. Wir haben bereits eins, oben in den Bergen, schon vergessen? Und dazu hat niemand Zutritt.«
Hilts ging auf sein Privatbüro zu. Sein Assistent blieb zurück und starrte verständnislos den Abakus an.
»Aber, Verwalter …«
»Du reagierst über, Jaye.«
»Aber was ist mit dem, das ich über die Sandrohre erfahren
Weitere Kostenlose Bücher