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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Staaten von Amerika!», sagte Timothy Webster mit seiner rauen, tiefen Stimme. Einige der Offiziere auf der Wiese hatten ihre Hüte abgenommen, andere den Blick halb abgewandt. Der Henker musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um Webster die schwarze Kapuze über den Kopf zu ziehen und die Schlinge um den Hals zu legen. Murmelnd rezitierte der Kaplan den Psalm ein zweites Mal. Die Sonnenstrahlen krochen an den Balken hinunter und näherten sich langsam der Kapuze des Verurteilten.
    «Gott schütze die Vereinigten Staaten von Amerika!», rief Webster laut, die Stimme von der Kapuze gedämpft, und dann trat der Henker den Bolzen weg, der die Falltür geschlossen hielt, und die Zuschauer keuchten auf, als die Klappe aus Kiefernholz heftig herunterschwang und der Häftling abwärtsraste.
    Alles geschah so schnell, dass sich Starbuck die Einzelheiten später neu ins Gedächtnis rufen musste, und selbst dann war er nicht sicher, ob seine Phantasie das Geschehen nicht noch etwas ausgeschmückt hatte. Der Strick schien sich zu spannen, hielt den Verurteilten sogar einen Moment in der Luft fest, doch dann schien die Schlinge über sein verhülltes Gesicht nach oben zu rutschen, und plötzlich, Hände und Füße zusammengebunden wie eine Schlachtsau, stürzte Webster auf den Boden, während über ihm im Morgenlicht der Strick pendelte, in dessen Schlinge sich die schwarze Kapuze verfangen hatte. Webster schrie vor Schmerz, als er auf seinen empfindlichen, rheumatischen Gelenken aufkam. Starbuck erschauerte bei den gequälten Schreien, während der alte, weißhaarige Mann mit dem silberverzierten Gehstock einfach nur den Blick auf Starbuck geheftet hielt.
    Einer der Offiziere, die zuschauten, hob die Hand vor den Mund und drehte sich weg. Ein anderer musste sich an einen Baum lehnen. Zwei oder drei zogen Flachmänner aus der Tasche. Einer bekreuzigte sich. Der Henker sah einfach nur mit weit aufgerissenen Augen durch die offene Luke nach unten.
    «Noch mal! Noch mal machen!», rief der Kommandant. «Beeilung. Hebt ihn auf! Lassen Sie ihn, Doktor.» Ein Mann, offenkundig ein Arzt, hatte sich neben Webster gekniet, zog sich nun aber unsicher zurück, als zwei Soldaten herbeieilten, um dem Verurteilten aufzuhelfen. Webster schluchzte, nicht vor Angst, sondern wegen der grauenvollen Schmerzen in seinen Gelenken.
    «Beeilung!», rief der Kommandant erneut. Einer der Offiziere übergab sich.
    «Sie werden mich ein zweites Mal umbringen!», protestierte Webster, und seine Stimme bebte vor Qual.
    «Beeilung!» Der Kommandant schien in Panik zu verfallen.
    Die Soldaten schleppten Webster zu der Leiter. Sie mussten seine Fußfessel lösen und seine Füße einen Schritt nach dem anderen auf die Leitersprossen stellen. Webster kam langsam nach oben, immer noch schluchzend vor Schmerz, während der Henker die Schlinge einholte. Einer der Zuschauer drückte die Falltür von unten mit seinem Schwert wieder zu.
    Die Kapuze war aus der Schlinge gerutscht, und der Henker murrte, er könne ohne die schwarze Haube seine Arbeit nicht machen. «Das spielt keine Rolle!», zischte der Kommandant. «Jetzt machen Sie schon, um Himmels willen!»
    Der Kaplan zitterte so sehr, dass er die Bibel nicht ruhig halten konnte. Der Henker fesselte dem Häftling erneut die Füße zusammen, zog ihm die Schlinge über den Kopf und knurrte, als er den Knoten unter dem linken Ohr des Verurteilten festzog. Der Kaplan begann das Vaterunser aufzusagen und ratterte die Worte so schnell herunter, als habe er Angst, sie zu vergessen, wenn er zu langsam betete.
    «Gott segne die Vereinigten Staaten!», rief Webster laut, auch wenn es mehr ein Schluchzen war. Er krümmte sich vor Qual, aber dann, als die strahlende Morgensonne ihn in ihr Licht tauchte, unterdrückte er mit äußerster Anstrengung den Schmerz, um seinen Mördern zu zeigen, dass er stärker war als sie. Zoll für Zoll richtete er seinen leidenden Körper auf, bis er schließlich ganz aufrecht stand. «Gott segne die Vereinigten –»
    «Tun Sie’s endlich!», kreischte der Kommandant.
    Zum zweiten Mal trat der Henker den Bolzen weg, und zum zweiten Mal krachte die Falltür auf, und zum zweiten Mal schoss der Häftling abwärts, nur dass sich der Strick dieses Mal straff spannte und der Körper kurz zurückschnellte, als sich der Hals streckte und das Genick brach. Einer der Offiziere schnappte vor Entsetzen hörbar nach Luft, während der tote Körper am Seil tanzte. Dieses Mal war Webster augenblicklich

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