Starbuck. Der Verräter (German Edition)
Wasser. Es war so heiß, dass er es kaum ertragen konnte. Auf einem Rohrsessel lag ein Stapel weißer Handtücher und auf einem Waschtisch ein Rasiermesser, Seife und ein Rasierpinsel.
«Wenn Sie Ihre alte Kleidung vor die Tür legen …», sagte Martha, beendete den Satz aber nicht.
«Dann verbrennst du die Sachen?», riet Starbuck.
«Ich hole Sie in vierzig Minuten hier ab, Massa», sagte sie und sank in einen Knicks, bevor sie rückwärts aus der Tür ging und sie hinter sich zuzog.
Eine Stunde später war Starbuck rasiert, geschrubbt und angezogen und hatte sich mit Eiern, Schinken und gutem Weißbrot vollgeschlagen. Sogar der Kaffee war richtiger Kaffee gewesen, und die milde Zigarre, die er nach dem Essen rauchte, duftete angenehm. Das fette Essen hätte leicht weitere Übelkeitskrämpfe auslösen können, aber er hatte langsam angefangen und erst geschlungen, als sein Magen nicht rebelliert hatte. Der alte Mann hatte während des Frühstückes kaum etwas gesagt, abgesehen von seinen Spötteleien über einige Artikel in der Morgenzeitung. Er wirkte auf den neugierigen Starbuck genauso außergewöhnlich wie bösartig. Seine Haussklavinnen hatten offenkundig Angst vor ihm. Zwei Mädchen servierten das Essen, beide genauso hellhäutig und gutaussehend wie Martha. Starbuck überlegte, ob er in seinem Zustand einfach sämtliche Frauen begehrenswert fand, aber der alte Mann sah ihn eine der beiden Sklavinnen mustern und bestätigte sein Urteil. «Ich kann im Haus keinen hässlichen Anblick ertragen, Starbuck. Wenn ein Mann schon Frauen besitzen muss, dann sollen es wenigstens die schönsten sein, und ich kann sie mir leisten. Ich verkaufe sie weiter, wenn sie fünfundzwanzig sind. Wenn man eine Frau zu lange behält, glaubt sie irgendwann, einem das Leben vorschreiben zu können. Kauf sie jung, halte sie fügsam, verkaufe sie rechtzeitig. Dann ist man zufrieden. Kommen Sie mit in die Bibliothek.»
Der alte Mann führte Starbuck durch eine Flügeltür in einen prachtvollen Raum, auch wenn es zugelassen worden war, dass diese Pracht schrecklich litt. Wundervoll geschnitzte Bücherschränke reichten von dem Hartholzboden bis zu der stuckverzierten, zwölf Fuß hohen Decke, doch der Stuck bröckelte ab, und das Blattgold auf den Bücherschränken war abgegriffen, und die Rücken der ledergebundenen Bände hatten sich gelöst. Alte Tische waren übersät mit Büchern, die vor Feuchtigkeit aufgequollen waren, und der ganze traurige Raum roch dumpf. «Mein Name ist de’Ath», sagte der Mann mit seiner verführerischen Stimme.
«Death?», fragte Starbuck verwundert.
«Kleines D, E, Apostroph, A, T, H. Französische Herkunft: de’Ath. Mein Vater kam mit Lafayette hierher und ist nie wieder nach Hause gefahren. Hatte nichts, zu dem er zurückkehren konnte. War ein Bastardkind, Starbuck, auf der falschen Seite des Lakens einer Adelshure geboren. Die ganze Sippe hat im französischen Revolutionsterror bekommen, was sie verdiente. Kopf ab mit Doktor Guillotins großartiger Apparatur. Ha!» De’Ath ließ sich hinter dem größten Tisch nieder, auf dem ein Durcheinander von Büchern, Papieren, Tintenfässern und Stiften herrschte. «Die ausgezeichnete Vorrichtung Doktor Guillotins hat mich zu einem Marquis von irgendwas gemacht, nur sind wir unter der weisen Regierung unseres früheren Landes nicht befugt, unsere Titel zu tragen. Glauben Sie an diesen ganzen Jefferson’schen Unsinn von der Gleichheit aller Menschen, Starbuck?»
«Ich bin in diesem Glauben erzogen worden, Sir.»
«Ich bin nicht daran interessiert, welchen Humbug man Ihnen als Kind eingetrichtert hat, sondern daran, welcher jetzt in ihrem Kopf steckt. Glauben Sie, dass alle Menschen gleich sind?»
«Ja, Sir.»
«Dann sind Sie ein Narr. Es ist doch für jeden offensichtlich, dass manche Männer klüger sind als andere, manche stärker, und eine glückliche Minderheit skrupelloser als die übrigen, woraus wir klar folgern können, dass unser Schöpfer beabsichtigte, uns in den angenehmen Grenzen einer Hierarchie leben zu lassen. Machen Sie alle Menschen gleich, Starbuck, dann erheben Sie Dummheit zur Weisheit und verlieren die Fähigkeit, beides zu unterscheiden. Das habe ich Jefferson oft genug erklärt, aber er hat nie auf die Einsichten anderer gehört. Setzen Sie sich. Aschen Sie auf den Boden. Wenn ich sterbe, wird ohnehin alles verrotten.» Er wedelte mit einer mageren Hand, um zu verdeutlichen, dass er über das Haus und seine großartige, aber
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