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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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den Talgkerzen, die alle paar Schritte in Halterungen brannten. Starbuck zitterte trotz der fühlbaren Wärme in der Frühlingsluft. Es war Tage her, dass Gillespie ihm das letzte Mal das Krotonöl verabreicht hatte, aber er war immer noch jämmerlich mager und leichenblass. Zwar musste er nicht mehr würgen und hatte sogar etwas Haferschleim essen können, ohne dass sein Magen die Nahrung sofort wieder abwies, aber er fühlte sich schwach wie ein Kätzchen und dreckig wie ein Schwein, auch wenn ihm das Ende der Verhöre schließlich als winziger Hoffnungsschimmer erschienen war.
    Starbuck wurde ins Wachlokal des Gefängnisses geführt, wo ein Sklave damit beauftragt wurde, ihm die Fußfesseln abzunehmen. Auf dem Tisch des Wachlokals lag ein ewiger Kalender, der aus Pappkarten in einem Holzrahmen bestand. Den Karten zufolge war es Montag, der 29 . April 1862 . «Wie fühlst du dich, Junge?», fragte der Sergeant hinter dem Tisch. Er hatte seine großen Hände um einen Zinnbecher geschlossen. «Wie geht’s deinem Magen?»
    «Er ist leer, und er brennt», sagte Starbuck.
    «Das ist doch für heute schon mal nicht schlecht.» Der Sergeant lachte und nippte an dem Becher. Dann verzog er das Gesicht. «Kaffee aus gerösteten Erdnüssen. Schmeckt wie Yankee-Scheiße.»
    Die Soldaten befahlen Starbuck in den Gefängnishof. Das Fehlen der Fußfesseln führte dazu, dass er seine Füße unnatürlich weit anhob, sodass sein Gang grotesk und schwerfällig aussah. Eine schwarze Gefängniskutsche wartete im Hof. Die einzige, rückwärtige Tür stand offen, und ein Pferd mit Scheuklappen und Senkrücken war angeschirrt. Starbuck wurde in das Gefährt geschoben. «Wohin fahre ich?», fragte er.
    Keine Antwort. Stattdessen wurde die Kutschtür vor seiner Nase zugeschlagen. Innen an der Tür gab es keinen Griff, und die Kutsche hatte auch keine Fenster. Es war einfach eine Kutsche zum Gefangenentransport; eine Holzkiste auf Rädern mit einer Lattenbank, auf die sich Starbuck stöhnend setzte. Er hörte die Wachmänner auf den Fußtritt hinten an der Kutsche steigen, und dann ließ der Kutscher die Peitsche knallen.
    Die Kutsche setzte sich mit einem Ruck in Bewegung. Starbuck hörte die Gefängnistore knarrend aufschwingen, dann holperte das schwerfällige Gefährt über den Bordstein und auf die Straße. Zitternd und einsam saß er in der Dunkelheit und fragte sich, welche neuen Demütigungen auf ihn warteten.
    Nach einer halben Stunde blieb die Kutsche stehen, und die Tür wurde geöffnet. «Raus, Yankee», sagte eine der Wachen, und Starbuck stieg aus in die Morgendämmerung und sah, dass er nach Camp Lee gebracht worden war, Richmonds altem Messeplatz, der im Westen der Stadt lag. Camp Lee war jetzt das größte Armeedepot der Stadt. «Dort entlang», sagte der Wachmann und deutete auf die Rückseite der Kutsche.
    Starbuck drehte sich um, und eine oder zwei Sekunden lang konnte er sich nicht bewegen. Zuerst war es Unverständnis, das ihn stehen bleiben ließ, dann, als ihm klarwurde, was er in dieser Morgendämmerung vor sich hatte, erstarrte er vor Schreck.
    Denn dort, im geisterhaften Licht, stand ein Galgen.
    Das Gerüst war aus geschälten Rohholzbalken neu errichtet. Es war eine monströse Konstruktion, schaurig anzusehen in den letzten, grauen Schatten der Nacht, mit einer Plattform in etwa zwölf Fuß Höhe. Zwei Pfosten auf der Plattform trugen noch etwa zehn Fuß darüber einen Querbalken. Über dem Balken hing ein Strick, sein zu einer Schlinge geknüpftes Ende lag vermutlich auf der Falltür zusammengerollt. Eine Leiter führte von der Wiese auf die Plattform, wo ein bärtiger Mann in einem schwarzen Hemd, schwarzen Hosen und einer fleckigen weißen Jacke auf seine Arbeit wartete. Er lehnte an einem der Pfosten und rauchte Pfeife.
    Eine kleine Gruppe uniformierter Männer wartete am Fuß des Galgens. Sie rauchten Zigarren und unterhielten sich, doch als Starbuck erschien, breitete sich Schweigen aus, während sie sich einer nach dem anderen umdrehten, um ihn zu mustern. Einige verzogen das Gesicht, und kein Wunder, denn Starbuck trug ein schmutzstarrendes Hemd, schmutzstarrende, zerrissene Hosen, die von einem ausgefransten Stück Schnur zusammengehalten wurden, und grobe Lederhalbstiefel, die um seine Knöchel schlotterten wie Würfelbecher. Seine Knöchel waren von den Fußfesseln blutig aufgeschürft, sein Haar war verfilzt und schmutzig und sein neuer Bart struppig und verdreckt. Er stank.
    «Bist du Starbuck?»,

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