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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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hundertsten Mal seine Uhr auf. Die Schlacht sollte nun schon seit vier Stunden laufen, und es war immer noch kein einziger Schuss abgegeben worden. Der Wind kräuselte die Oberfläche der Pfützen, vertrieb aber nicht die feuchte Luft. Die Musketen würden verstopfen, dachte Johnston. Ein trockener Tag bedeutete, dass das Schwarzpulver sauber verbrannte, während feuchtes Wetter verschmauchte Gewehrläufe und anstrengende Arbeit mit dem Ladestock zur Folge hatte. «Wo in Gottes Namen sind sie?», rief er frustriert.
    General Hills Division hielt sich seit Tagesanbruch in Bereitschaft. Seine Männer standen mit dem Gewehr in der Hand in einem Wald, in dem die Blitze große Bäume gespalten hatten, und warteten auf das Signal zum Vorrücken. Die vordersten Reihen konnten die Yankee-Posten auf der anderen Seite der feuchten Lichtung sehen. Diese Wachtposten verfügten über einen groben Unterstand aus Ästen, hinter denen sich die Wachen der Nordstaatler so gut es ging vor dem Wetter schützten. Einige der Gegner hatten Mäntel und Hemden zum Trocknen über den behelfsmäßigen Windschutz gehängt. Ein Yankee, nicht ahnend, dass in dem Wald auf der anderen Seite der Lichtung ein Gegner auf den Angriffsbefehl wartete, nahm eine Schaufel und ging am Waldrand entlang. Er winkte zu den Rebellen hinüber, vermutete, dass er nur von denselben Wachtposten der Südstaaten beobachtet wurde, mit denen er noch am Tag zuvor Kaffee gegen Tabak und eine Zeitung aus dem Norden gegen eine aus dem Süden eingetauscht hatte.
    General Hill klappte seine Uhr auf. «Irgendwelche Neuigkeiten?»
    «Keine, Sir.» Die Adjutanten des Generals waren zur White’s Tavern und zur Old Tavern geritten und hatten weit und breit nichts entdeckt.
    «Haben Sie etwas von Johnston gehört?»
    «Nichts, Sir.»
    «Gottverdammt. So kann man keinen Krieg gewinnen.» Hill rammte die Uhr zurück in seine Westentasche. «Geben Sie das Signal!», rief er in Richtung einer Artilleriestellung. Es war abgesprochen worden, dass drei Kanonenschüsse in gleichem Abstand das Signal zum Angriff sein sollten.
    «Sie wollen ohne Unterstützung vorrücken?», fragte ein Adjutant entsetzt von dem Gedanken, dass es die Division ohne jede Verstärkung auf den Flanken mit der halben Nordstaatenarmee aufnehmen sollte.
    «Das sind nur erbärmliche Yankees. Die Bastarde schlagen wir in die Flucht. Feuern Sie das Signal!»
    Die dumpfen, brutalen, seelenlosen Schläge der drei Signalschüsse zerstörten den mittäglichen Frieden. Die erste Kanonenkugel raste krachend durch den Wald, ließ Äste splittern und Tropfen und Kiefernnadeln herabregnen, die zweite prallte von einer feuchten Wiese ab und schlug in einen Baumstamm ein, während die dritte und letzte Kugel die Schlacht auslöste.
     
    «Johnston wird nicht angreifen», versicherte James Starbuck seinem Bruder.
    «Woher wissen wir das?»
    «McClellan kannte ihn vor dem Krieg. Kannte ihn gut, also weiß er, was in seinem Kopf vorgeht», erklärte James, ohne sich die Ironie dessen bewusst zu machen, dass der Geheimdienst der Vereinigten Staaten anscheinend keine verlässlichere Methode zur Erkundung der gegnerischen Absichten hatte als die Gedankenleserei ihres kommandierenden Generals. James bediente sich von der Schinkenplatte. Er war immer ein guter Esser gewesen, und obwohl Mittagszeit war und die Köche James mit einer gutgefüllten Platte Grillhühnchen versorgt hatten, hatte er darum gebeten, dass auch noch der restliche Schinken vom Frühstück serviert wurde. «Nimm ein bisschen von dem Schinken», forderte er seinen Bruder auf.
    «Ich bin schon satt.» Starbuck blätterte durch den enormen Stapel Zeitungen, die überall hingebracht wurden, wo der Geheimdienst sein Feldquartier aufschlug. Dieser Stapel enthielt das
Journal
aus Louisville, den
Mercury
aus Charleston, den
Codman
aus Cape, die
New York Times
, den
New York Herald
, den
Mississippian
, die
National Era
,
Harpers Weekly
, die
Gazette
aus Cincinnati, den
Republican
aus Jacksonville, den
North American
aus Philadelphia und das
Chicago Journal
. «Liest eigentlich irgendwer all diese Zeitungen?», fragte Starbuck.
    «Ich. Wenn ich Zeit habe. Aber die Zeit reicht nie aus. Wir haben nicht genügend Personal, das ist das Problem. Sieh dir nur diesen Berg an!» James sah von der Zeitung auf, die er gerade las, und deutete auf die telegraphischen Mitteilungen, die entschlüsselt werden mussten und wegen fehlender Schreibkräfte unbearbeitet geblieben waren.

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