Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
Dokumente, die ihm Pinkerton gerade gegeben hatte, und fragte sich, ob sie die Macht hatten, ihn wieder in die Legion zu bringen. Er wusste genau, dass er dorthin zurückwollte, aber nun musste er es ohne de’Aths Hilfe schaffen, und diese Vorstellung brachte ihn erneut an den Rand der Verzweiflung. Vielleicht, dachte er, sollte er sich einfach als Freiwilliger bei einem Infanterieregiment der Nordstaaten melden. Einen falschen Namen angeben, ein Gewehr in die Hand nehmen und so in den blau uniformierten Reihen der größte Armee Amerikas untertauchen.
    Starbucks Pferd trottete am Straßenrand entlang, während sein Reiter in all den Befürchtungen und Phantasien, die auf ihn einstürmten, nach einem Hoffnungsschimmer suchte. Die Straße hatte sich in einen tief zerfurchten Morast verwandelt, und in den Räderspuren der Kanonen und Fuhrwerke stand das Regenwasser, dessen Oberfläche nun vom Wind gekräuselt wurde. Um die Straße erstreckte sich flaches Ackerland, unterbrochen von Waldstücken und Sumpfstreifen, durch das träge, schilfgesäumte Bäche mäanderten, doch nicht weit voraus erhoben sich niedrige Hügel, die festeren Tritt für sein geliehenes Pferd versprachen.
    Der Geschützdonner hielt nun dauerhaft an, was darauf hindeutete, dass eine Seite entschlossen war, die andere aus ihrer Stellung zu vertreiben, und dennoch herrschte erstaunlich wenig Betriebsamkeit in den Feldlagern, die auf diesen unangenehm feuchten Wiesen errichtet worden waren. Die Männer vertrödelten den Nachmittag, als würde die Schlacht auf der anderen Seite des Flusses von einer fremden Armee oder einem fremden Land geführt. Soldaten standen an einer Krämerbude Schlange, um sich mit den kleinen Annehmlichkeiten zu versorgen, die der Händler anbot, und eine noch längere Schlange stand vor einem Zelt, in dem getrocknete Austern angeboten wurden. Einer der Männer zwinkerte Starbuck zu und klopfte an seine Feldflasche, um anzudeuten, dass der Austernverkäufer in Wahrheit illegal Whiskey verkaufte. Starbuck schüttelte den Kopf und ritt weiter. Sollte er vielleicht einfach ganz verschwinden? In die Badlands des Westens gehen? Dann fiel ihm Sallys Spott wieder ein, und er wusste, dass er nicht einfach davonlaufen konnte. Er musste um das kämpfen, was er wollte!
    Er kam an einer Baptistenkirche vorbei, die als Lazarett genutzt wurde. Neben der Kirche hatte ein Bestatter seine Gespanne abgestellt. Auf den Segeltuchbahnen des Planwagens stand in groben, zinnoberroten Buchstaben «Ethan Cornett and Sons, Newark, New Jersey, Einbalsamierung, billig und sorgfältig, garantiert geruchsfrei und hygienisch». Ein zweiter Wagen war mit Kiefernholzsärgen beladen, auf denen Zettel mit den Adressen klebten, an die sie geliefert werden sollten. Die einbalsamierten Leichname würden heim nach Philadelphia und Boston, Newport und Chicago, Buffalo und St. Paul gebracht und dort, begleitet von schluchzenden Familien und den pathetischen Reden blutrünstiger Pfarrer, bestattet werden. Die meisten Toten wurden dort beerdigt, wo sie gefallen waren, aber manche Männer, die im Lazarett starben, bezahlten dafür, dass ihre Leichen nach Hause gebracht wurden. Noch während Starbuck hinsah, wurde ein Toter aus der Kirche gebracht und auf einen Tisch neben dem Zelt des Einbalsamierers gelegt. Die Zehen der Leiche waren zusammengebunden worden, und von ihrem Knöchel hing ein Schildchen herab. Ein Mann in Hemdsärmeln und einer fleckigen Segeltuchschürze, der ein Messer mit breiter Klinge in der Hand hielt, kam aus dem Zelt, um den neuen Toten in Augenschein zu nehmen.
    Starbuck trieb das Pferd durch den ranzigen Geruch der Einbalsamierungsmittel und dann einen leichten Anstieg hinauf, der zu einem dichten Waldgürtel führte, hinter dem ein paar armselige Bauerngehöfte lagen. Von den Weidezäunen, die hier einmal um die Wiesen aufgestellt worden waren, sah man nur noch Zickzackspuren im Gras, denn die Balken waren von den Soldaten für ihre Lagerfeuer gestohlen worden. An der Straße stand ein Blockhaus, an dessen Grassodendach ein selbstgemachtes Sternenbanner hing. Die Streifen bestanden aus dunklem und hellem Sackleinen, die Sterne waren vierunddreißig Kalkfarbenkleckse auf einem verblichenen blauen Stück Segeltuch. Das Blockhaus gehörte offensichtlich einer Familie freigelassener Sklaven, denn ein alter, weißhaariger Schwarzer kam aus dem winzigen Haus, als Starbuck vorbeiritt. Der Mann ging mit einer Grabgabel zu seinem Gemüsegarten und hob

Weitere Kostenlose Bücher