Starbuck. Der Verräter (German Edition)
Verstärkung im Anmarsch. Die Brigade traf auf niemanden. Longstreet, der seine Männer zuerst in die eine Richtung und dann in die andere hatte marschieren lassen, befahl unterdessen ein weiteres Mal, auf demselben Weg umzukehren. Beide Generäle fluchten darauf, dass es keine Landkarten gab, und auf die Nebelbänke, die sich nachmittags bildeten und den Geschützrauch verhüllten, der ihnen sonst angezeigt hätte, woher der schwer zu lokalisierende, gedämpfte Kanonendonner kam.
Präsident Davis ärgerte sich über die mangelnden Informationen von seinen Kommandogenerälen und ritt von Richmond aus in Richtung des Schlachtfeldes. Er fragte jeden Offizier, dem er begegnete, nach Neuigkeiten, doch niemand wusste, was in den Marschen südlich des Flusses vor sich ging. Sogar der Militärberater des Präsidenten bekam nichts heraus. Robert E. Lee hatte keinen Einblick in die aktuellen Angriffspläne und konnte nur vermuten, dass ein Angriff der Konföderierten gestartet worden war, doch mit welchem Ziel oder Erfolg konnte er nicht sagen. Der Präsident fragte, ob irgendwer wisse, wo Johnstons Hauptquartier lag, doch nicht einmal das konnte jemand sicher beantworten, aber der Präsident fand, dass er Johnston auf jeden Fall sprechen müsse, und so machte er sich mit seinem Stab auf den Weg Richtung Osten, um etwas über eine Schlacht zu erfahren, die neu aufflammte, als Hills Truppen ohne Unterstützung auf die Wallanlagen der Yankees bei Seven Pines vorstießen.
Wo die Kanonenrohre immer heißer wurden und wo, angeschürt von Verwirrung und Stolz, das Töten weiterging.
Der Mann, der Starbuck zugerufen hatte, war der französische Militärbeobachter, Colonel Lassan, der nun in leichtem Galopp über die Hügelkuppe ritt, dann Starbucks Pferd am Zaum nahm und ihn von der Straße und damit aus der Sicht der Yankee-Kavallerie zog. «Wissen Sie, dass Sie in Schwierigkeiten sind?», fragte der Franzose.
Starbuck versuchte, das Zaumzeug seines Pferdes aus dem Griff des Franzosen zu ziehen.
«Seien Sie kein solcher Narr!», fauchte Lassan. «Folgen Sie mir!» Er ließ das Zaumzeug los und gab seinem Pferd die Sporen, und seine Autorität war so groß, dass Starbuck dem Franzosen unwillkürlich folgte, der nun scharf rechts von der Straße abbog und dann über eine morastige Lichtung ritt bis in die Deckung dichtbelaubter Bäume. Die beiden Männer erkämpften sich einen Weg durch buschiges Unterholz unter niedrigen, tropfenden Zweigen und kamen schließlich in ein lichteres Waldstück, wo der Franzose sein Pferd umdrehen ließ und die Hand hob, damit Starbuck still blieb.
Die beiden Männer lauschten. Starbuck hörte das dumpfe, hallende Dröhnen der schweren Geschütze auf der anderen Seite des Flusses und das hellere, schärfere Geknatter der Musketen, und er hörte das Rauschen und Seufzen des Windes in den Baumkronen, aber sonst hörte er nichts. Der Franzose aber lauschte immer noch, und Starbuck betrachtete neugierig seinen Retter. Lassan war hochgewachsen, vielleicht Mitte vierzig, mit einem schwarzen Schnurrbart und einem schmalen Gesicht, das von Kriegsnarben gezeichnet war. Ein russischer Säbel hatte die rechte Wange des Franzosen aufgeschlitzt, eine Kosakenkugel hatte ihm das linke Auge geraubt, und die Kugel aus einem österreichischen Gewehr hatte ihm den linken Kieferknochen zermalmt, doch trotz dieser Verletzungen strahlte der Franzose so viel Zuversicht und Lebensfreude aus, dass man sein schrecklich zernarbtes Gesicht nicht hässlich nennen konnte. Eher schon war es beeindruckend zugerichtet; ein Gesicht, auf dem das Leben die Spuren von Abenteuern hinterlassen hatte, in die sich Lassan nur allzu gern stürzte. Er ritt sein großes, schwarzes Pferd mit der gleichen unangestrengten Eleganz wie Washington Faulconer, während seine Uniform, die einst prächtige Litzen und Goldketten und vergoldete Brustschnüren geschmückt hatten, nun verblichen und ausgebessert war, und der schöne metallische Aufputz war entweder trüb geworden oder fehlte ganz. Einst musste er einen prachtvollen Uniformhut besessen haben, vielleicht mit weichem Pelz oder schimmerndem Messing und gekrönt von einem Federbusch oder einem scharlachroten Aufsatz, doch nun trug er einen Bauern-Schlapphut, der aussah, als sei er einer Vogelscheuche gestohlen worden. «Alles in Ordnung.» Lassan brach das Schweigen. «Sie verfolgen uns nicht.»
«Wer sind sie?»
«Der Anführer ist ein Mann namens Thorne. Kommt aus Washington.» Lassan
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