Starbuck. Der Verräter (German Edition)
Fetzen Papier konnte nur gegen die Familie Faulconer als Waffe eingesetzt werden. Aber da war auch noch eine tiefere Wahrheit. Starbuck hatte angefangen zu verstehen, dass man nicht halbherzig in einen Krieg ziehen konnte. Kein Mann konnte das Töten einfach als Nebenbeschäftigung ausüben, genauso wenig wie ein Christ nebenbei mit der Sünde liebäugeln konnte. In den Krieg musste man sich mit Haut und Haar stürzen, man musste ihn feiern, sich an ihm berauschen, und nur eine Handvoll Männer überlebten diesen Prozess, doch der Ruhm dieser wenigen Helden hallte für immer durch die Geschichte. Washington Faulconer war kein solcher Mann. Faulconer liebte die Insignien hoher militärischer Ränge, aber den Krieg liebte er nicht, und mit einem Mal sah Starbuck klar vor sich, dass er selbst – wenn er die Kugeln und Granaten überlebte – eines Tages diese halbherzige Brigade in die Schlacht führen würde. Es würde eine Brigade Starbuck geben, und Gott helfe dem Gegner, wenn dieser Tag kam. «Weil man nicht vor seinen Feinden davonläuft», beantwortete er schließlich die Frage seines Freundes.
Adam schüttelte mitleidig den Kopf. «Nate Starbuck», sagte er verbittert, «verliebt in den Krieg und das Soldatenhandwerk. Kommt das davon, dass du mit allem anderen gescheitert bist?»
«Das ist der Platz, an den ich gehöre.» Starbuck beachtete Adams verbitterte Frage nicht. «Aber du nicht. Du wirst also deinen Vater dazu bringen, mich Captain bei der Kompanie K sein zu lassen. Wie du das machst, ist deine Sache. Du musst ihm nicht die Wahrheit erzählen.»
«Was könnte ich ihm denn sonst erzählen?», fragte Adam verzweifelt. «Du hast schon viel zu viel angedeutet.»
«Ihr habt eine Wahl, dein Vater und du», sagte Starbuck. «Ihr könnt das diskret und privat behandeln, oder ihr könnt dafür sorgen, dass alles an die Öffentlichkeit gezerrt wird. Ich glaube, ich weiß, was deinem Vater lieber ist.» Er unterbrach sich, dann schmückte er seinen Bluff mit einer weiteren Lüge aus. «Und ich schreibe dem alten Mann in Richmond und erzähle ihm, der Spion wäre tot. Ich sage, er wäre in der Schlacht gestern umgekommen. Schließlich hast du mit deiner Laufbahn als Spion abgeschlossen, oder etwa nicht?»
Adam hörte den beißenden Spott heraus und zuckte zusammen. Dann funkelte er Starbuck an. «Ich habe noch eine andere Wahl, erinnerst du dich?»
«Wirklich?»
Adam knöpfte die Halfterklappe seines Revolvers auf und zog die Waffe. Es war ein teurer Whitney-Revolver mit Elfenbeinauflagen an den Griffseiten und einem Lauf mit Schmuckgravierungen. Er nahm ein kleines Zündhütchen aus der Tasche und machte eine der geladenen Trommelkammern schussbereit.
«Um Gottes Willen, bring dich bloß nicht um», sagte Starbuck erschreckt.
Adam stellte die Trommel so ein, dass die schussbereite Kammer als nächste unter den Hahn gedreht würde. «Ich habe schon manches Mal an Selbstmord gedacht, Nate», sagte er milde. «Tatsächlich habe ich sogar schon oft gedacht, wie wohltuend es wäre, wenn man sich keine Sorgen darüber machen muss, ob man das Richtige tut, wenn ich mir keine Sorgen über Vater machen müsste und keine Sorgen darüber, ob Julia mich liebt, oder ob ich sie liebe. Findest du das Leben nicht auch sehr kompliziert? Gütiger Gott im Himmel, ich finde es unglaublich verwickelt. Aber in all meinen Gebeten, Nate, und in all meinen Überlegungen der letzten Wochen habe ich wenigstens eine Sicherheit gefunden.» Er beschrieb mit dem geladenen Revolver eine weit ausholende Geste über die gesamte Landschaft. «Das hier ist Gottes Land, Nate, und er hat uns hierhergeführt, um seine Bestimmung zu erfüllen, und diese Bestimmung lautet nicht, uns gegenseitig umzubringen. Ich glaube an die Vereinigten Staaten von Amerika, nicht an die Konföderierten Staaten, und ich glaube, dass Gott die Vereinigten Staaten geschaffen hat, damit sie ein Beispiel und ein Segen für die ganze Welt werden. Also, nein, ich werde mich nicht umbringen, denn mein Selbstmord würde uns Amerikaner dem Tausendjährigen Reich nach der Wiederkunft Christi keinen Tag näher bringen, genauso wenig, wie uns irgendeiner der Kriegstoten diesem Reich auch nur einen Tag näher gebracht hat.» Er streckte den Arm aus und senkte die Waffe, bis er genau auf Starbucks Stirn zielte. «Aber wie du schon gesagt hast, Nate, ich könnte dich umbringen, und niemand würde etwas erfahren.»
Starbuck starrte die Waffe an. Er sah die spitz zulaufenden
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