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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Schildkröten- und Austernsuppe, von Eiscreme und Apfelkraut, von Hirschsteak mit Preiselbeeren, von Ente mit Orangensauce, von Gläsern voller Madeira und Kannen voller Wein, doch vor allem anderen träumten sie von Kaffee, von echtem, gutem, starkem Kaffee.
    Ein Gefangener aber träumte von nichts dergleichen. Stattdessen schritt er mit Adam Faulconer am Kai auf und ab. Major James Starbuck war ein großgewachsener Mann, dessen Gesicht einst füllig gewesen war, nun aber schlaff wirkte. Er war immer noch jung, aber sein Gebaren, sein ständiges Stirnrunzeln und sein lichter werdendes Haar ließen ihn um Jahre älter erscheinen, als er war. Früher hatte ihn sein schöner, dichter Bart mit Stolz erfüllt, doch selbst der Bart hatte in den feuchten Räumen von Castle Lightning seinen Glanz verloren. Vor dem Krieg war James ein aufstrebender Bostoner Anwalt gewesen, anschließend ein geschätzter Adjutant im Stab von Irvin McDowell, dem General, der die Schlacht bei Manassas verloren hatte; doch nun, auf seinem Weg zurück in den Norden, wusste James nicht, was aus ihm werden sollte.
    Adams Pflicht an diesem Tag war es, dafür zu sorgen, dass nur diejenigen Gefangenen freigelassen wurden, auf deren Namen sich die beiden Kriegsparteien geeinigt hatten, doch diese Pflicht war mit einem Namensaufruf und einem Zählappell schnell erfüllt, und danach hatte Adam nach James Starbuck gesucht und ihn um ein Gespräch unter vier Augen gebeten. James nahm wie zu erwarten an, dass Adam über seinen Bruder sprechen wollte. «Sie glauben wohl nicht, dass Nate noch die Seiten wechseln könnte?», fragte er schwermütig.
    Diese Frage wollte Adam nicht offen beantworten. In Wahrheit war er bitter enttäuscht von seinem Freund Nathaniel Starbuck, der, so fand Adam, den Krieg wie eine Geliebte mit offenen Armen empfing. Nate, glaubte Adam, hatte Gott aufgegeben, und das Beste, was er erhoffen konnte, war, dass Gott Nate Starbuck nicht ebenfalls aufgegeben hatte. Aber dieses harte Urteil wollte Adam nicht aussprechen, und deshalb suchte er nach einem Beweis ausgleichender Tugend, der James’ Hoffnungen für seinen jüngeren Bruder aufrechterhalten konnte. «Er hat mir erzählt, dass er regelmäßig zum Gebetstreffen geht», sagte er lahm.
    «Das ist gut! Das ist sehr gut!» James klang ungewöhnlich lebhaft, dann runzelte er die Stirn und kratzte sich am Bauch. Wie alle anderen Gefangenen, die im Castle Lightning einsaßen, hatte er sich Läuse geholt. Zuerst hatte er sich dafür schrecklich geschämt, aber mit der Zeit war eine gewisse Gewöhnung eingetreten.
    «Aber was wird Nate in Zukunft machen?», fragte Adam und beantwortete dann kopfschüttelnd seine eigene Frage. «Ich weiß es nicht. Wenn mein Vater das Kommando über die Legion wieder übernimmt, wird Nate wohl gezwungen sein, sich eine andere Beschäftigung zu suchen. Mein Vater, verstehen Sie, ist Nate nicht sehr zugetan.»
    James fuhr vor Schreck zusammen, als eine Lok auf der nahe gelegenen New York River Railroad mit einem unvermittelten lauten Zischen Dampf abließ. Die Lok stieß noch eine weitere Dampfwolke aus, dann kreischten schrill ihre enormen Antriebsräder, als sie Haftung auf den feuchten, schimmernden Stahlschienen suchten. Ein Aufseher bellte ein paar Sklaven Befehle zu, die daraufhin losrannten, um händeweise Sand unter die durchdrehenden Räder zu streuen. Endlich fanden die Räder der Lokomotive Halt, und sie ruckte vorwärts, sodass die lange Reihe der Güterwaggons rumpelnd und rasselnd in Bewegung kam. Ein gewaltiger Schwall beißender, bitterer Rauch zog über Adam und James hinweg. Der Brennstoff der Lokomotive bestand aus harzigem Kiefernholz, das eine dicke Teerschicht auf dem Rand des bauchigen Schornsteins hinterließ.
    «Ich wollte Sie heute aus einem bestimmten Grund sprechen», sagte Adam unbeholfen, als der Lärm der Lokomotive nachließ.
    «Um mir Auf Wiedersehen zu sagen?», fragte James in einem peinlichen Missverständnis. Eine seiner Schuhsohlen hatte sich gelöst, schleifte beim Gehen hinterher und brachte ihn gelegentlich zum Stolpern.
    «Ich muss offen reden», sagte Adam nervös und verfiel wieder in Schweigen, während sie um einen Haufen rostiger Ankerketten herumgingen. «Der Krieg», erklärte sich Adam schließlich, «muss beendet werden.»
    «Oh, ganz gewiss», sagte James leidenschaftlich. «Ganz gewiss, ja. Das ist die Hoffnung all meiner Gebete.»
    «Ich kann Ihnen nicht beschreiben», sagte Adam ebenso leidenschaftlich,

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