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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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genäht worden, und Starbuck sah genau hin, um die Tintenbuchstaben lesen zu können, die so sorgfältig auf das schmale, weiße Band geschrieben worden waren. «Oliver Wendell Holmes Jr.», stand auf dem Schildchen, « 20 th Mass.» Der Name rief in Starbuck sofort die klare Erinnerung an eine tüchtige Bostoner Familie wach und an Professor Oliver Wendell Holmes’ Studierzimmer mit den Präparategläsern auf hohen Regalen. In einem dieser Gläser hatte sich ein zerfurchtes, fahles Menschengehirn befunden, fiel Starbuck nun ein, während in anderen seltsame Homunkuli mit riesenhaften Köpfen in einer trüben Flüssigkeit schwebten. Die Familie gehörte nicht zu Starbucks Gemeinde, doch Reverend Elial schätzte Professor Holmes, und so hatte Starbuck die Erlaubnis gehabt, sich im Hause des Arztes aufzuhalten, wo er sich mit Oliver Wendell Junior anfreundete, einem aufmerksamen, schlanken und freundlichen jungen Mann, der lebhaft diskutierte und ein großzügiges Naturell besaß. Starbuck hoffte, dass sein alter Freund den Kampf überlebt hatte. Dann legte er sich Holmes’ schweren Uniformmantel um die Schultern und ging wieder los, um sein Gewehr zu suchen und festzustellen, wie es seinen Männern in der Schlacht ergangen war.
     
    Es war dunkel, und Adam Faulconer übergab sich.
    Er kniete in dem weichen Laub unter einem Ahorn und würgte, bis sein Magen nichts mehr hergab und seine Kehle brannte, und dann schloss er die Augen und betete, als hinge die gesamte Zukunft der Menschheit von der Inbrünstigkeit seines Flehens ab.
    Adam wusste, dass man ihn belogen hatte, und schlimmer, er wusste, dass er diese Lügen nur allzu gern hatte glauben wollen. Er hatte glauben wollen, dass der Aderlass einer einzigen erbitterten Schlacht genügen würde, um die Krankheit zu bekämpfen, die Amerika heimsuchte, doch stattdessen hatte die erste Schlacht das Fieber nur ansteigen lassen, und heute hatte er Männer wie Tiere töten sehen. Er hatte seine besten Freunde gesehen, seine Nachbarn und den Bruder seiner Mutter, wie sie viehisch getötet hatten. Er hatte Männer in die Hölle hinabsteigen und ihre Opfer wie Ungeziefer sterben sehen.
    Es war inzwischen ganz dunkel geworden, doch noch immer stieg vielfaches Stöhnen vom Fuß des Steilufers auf, wo Dutzende blutender und sterbender Nordstaatler lagen. Adam hatte versucht, hinunterzusteigen und seine Hilfe anzubieten, aber eine Stimme hatte ihn angebrüllt, er solle sich zum Teufel scheren, und ein Gewehr war blindlings den Hang hinauf abgefeuert worden, und dieser einzelne trotzige Schuss hatte ausgereicht, um eine weitere Rebellensalve von der Kuppe des Steilufers auszulösen. Und danach hatten noch mehr Männer in der Dunkelheit geschrien und geschluchzt.
    In Adams Nähe brannten ein paar Lagerfeuer, und um diese Feuer saßen die siegreichen Rebellen mit einem teuflischen Grinsen im Gesicht. Sie hatten die Toten ausgeplündert und die Taschen der Gefangenen durchsucht. Colonel Lee vom 20 th Massachusetts war gezwungen worden, seinen feinen, bestickten Uniformrock an einen Maultiertreiber aus Mississippi abzugeben, der nun damit angetan vor einem Feuer saß und sich die fettigen Finger an den Rockschößen abwischte. In der Abendluft hing scharfer Whiskeygeruch und der säuerliche Gestank von Blut und die süßliche Fäulnis der Verwesung. Ein paar tote Südstaatler waren auf der schräg zum Catoctin Mountain hin abfallenden Wiese beerdigt worden, aber die Toten der Nordstaaten waren noch nicht begraben. Die meisten waren eingesammelt und wie Klafterholz aufgestapelt worden, doch einige Leichen waren unentdeckt im Unterholz liegen geblieben. Am nächsten Morgen sollte ein Trupp Sklaven von den umliegenden Bauernhöfen geholt werden, damit sie einen Graben aushoben, der groß genug war, um die Toten der Yankees aufzunehmen. In der Nähe des blutigen Leichenstapels spielte ein Mann neben einem Lagerfeuer die Fiedel, und ein paar Männer sangen zu seiner schwermütigen Melodie.
    Gott, entschied Adam, hatte diese Männer aufgegeben, genauso, wie die Männer Gott aufgegeben hatten. Heute hatten sie sich am Ufer eines Flusses Gottes Entscheidung über Leben und Tod angemaßt. Sie hatten sich, so dachte Adam in seiner überreizten Stimmung, dem Bösen ausgeliefert. Es spielte keine Rolle, dass einige der siegreichen Rebellen in der Abenddämmerung gebetet und versucht hatten, ihren geschlagenen Gegnern zu helfen; in Adams Augen waren sie trotzdem allesamt vom Atem des Teufels

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