Starbuck. Der Verräter (German Edition)
wie ein Kartenhaus.
Adam hoffte verzweifelt, dass dieser eine, umfassende Verrat ausreichen würde, um den Krieg zu beenden, doch er war klug genug, um zu wissen, dass, wer immer dieses Schreiben erhielt, möglicherweise weitere Informationen verlangen würde. Nun, als er im kalten Regen den schmierigen Kai entlangschritt, erklärte Adam genau, wie ihn eine Nachricht aus dem Norden erreichen konnte. Adam hatte lange darüber nachgedacht, hatte sich bemüht, jede Eventualität vorherzusehen, die der Obrigkeit des Südens seine Identität verraten konnte, und es war ihm klar, dass die größte Gefahr von Nachrichten aus dem Norden drohte, die zu ihm in den Süden geschickt wurden. «Deshalb wäre es mir lieb, wenn Sie niemals Kontakt zu mir aufnehmen», ermahnte er James, «falls es aber sein muss, bitte ich Sie, in Ihren Schreiben niemals meinen Namen zu erwähnen.»
«Gewiss.» James schloss seine kalten Hände um den Ledereinband der Bibel und wurde sich mit Unbehagen seiner unpassenden Freude bewusst. Es war recht und billig, sich über Adams Eintreten für die Sache des Nordens zu freuen, doch es erfüllte ihn mit Scham, dass er in diesem Eintreten einen Vorteil für sich selbst erkannte, denn von Schuldgefühlen erfüllt wurde ihm klar, wie sehr das in der Bibel versteckte Schreiben seine militärische Karriere befördern würde. Statt als gedemütigter Adjutant eines gescheiterten Generals in den Norden zurückzukehren, war er plötzlich der Beförderer des Nordstaaten-Sieges. Seine Gebete waren hundertfach erhört worden.
«Wenn es notwendig wird, kann ich Ihnen weitere Informationen schicken», fuhr Adam fort, «aber nur Ihnen. Keinem anderen. Ich kann niemand anderem vertrauen.» Beide Kriegsparteien hatten unzählige Informanten, die jeden Menschen für den Gegenwert einer Flasche Whiskey verraten würden, doch Adam war sicher, dass er diesem Bostoner Anwalt trauen konnte, der ein so frommer und gottesfürchtiger Mann war, wie man sie in beiden Armeen lange suchen musste. «Geben Sie mir Ihr christliches Wort, dass Sie meine Identität geheim halten?»
«Selbstverständlich», sagte James, noch immer leicht benommen von der glücklichen Wendung, die das Schicksal für ihn genommen hatte.
«Damit meine ich Geheimhaltung vor jedermann», beharrte Adam. «Wenn Sie General McClellan meine Identität enthüllen, vertraue ich nicht darauf, dass er mit keinem anderen darüber spricht, und dieser andere könnte mein Untergang sein. Versprechen Sie mir das: Niemand außer Ihnen und mir darf je davon erfahren.»
James nickte erneut. «Ich verspreche es.» Er drehte sich um, weil die Schiffsglocke wieder geläutet wurde. Seine Mitgefangenen gingen über das Fallreep an Bord, doch James machte noch immer keine Anstalten, sich ihnen anzuschließen. Stattdessen griff er in die tiefe Tasche seines verschlissenen, schmutzigen Uniformrocks und förderte ein in Wachstuch gewickeltes Päckchen zutage. In das Wachstuch war ein Gegenstand lose eingeschlagen, und als James es auseinanderfaltete, zeigte sich eine zerlesene Bibel mit abgegriffenem Einband. «Würden Sie das Nate geben? Ihn bitten, darin zu lesen?»
«Sehr gern.» Adam nahm die dicke Bibel und sah zu, wie James seine neue Bibel in das Wachstuch wickelte.
«Und sagen Sie Nate», fügte James nachdrücklich hinzu, «dass ich alles tun werde, um ihn mit Vater und Mutter zu versöhnen, wenn er in den Norden zurückkehrt.»
«Gewiss», sagte Adam, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dass Starbuck auf die Großzügigkeit seines Bruders einging.
«Wollen Sie hierbleiben, Mister?», rief ein Seemann James vom Schiff aus zu.
«Denken Sie an Ihr Versprechen», sagte Adam. «Erzählen Sie niemandem, wer Ihnen diesen Brief gegeben hat.»
«Sie können mir vertrauen», versicherte James Adam. «Ich werde es niemandem erzählen.»
«Gott segne Sie.» Mit einem Mal erfüllten Adam überaus herzliche Gefühle für diesen guten, plumpen Mann, der so offenkundig ein Bruder in Christus war. «Und Gott segne die Vereinigten Staaten.»
«Amen», gab James zurück, dann streckte er Adam die Hand entgegen. «Ich werde für Sie beten.»
«Danke», sagte Adam und schüttelte James die Hand, bevor er ihn zu dem wartenden Schiff begleitete.
Der Landungssteg wurde eingezogen, und die Haltetaue wurden losgemacht. James stand an der Reling, die neue Bibel fest in den Händen. Als das letzte Landungstau fiel und das Schiff in die Flussströmung drehte, begannen die
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